Seit März verenden in Deutschland auffallend viele Blaumeisen. Sie leiden unter Atemnot, haben verklebte Augen, sitzen apathisch am Boden. Vergangene Woche kamen aus Basel Meldungen über kranke Tauben hinzu. Wenige Wochen zuvor wurden im Thurgau Dutzende tote Stare gefunden. Und das alles in Zeiten der Pandemie. Besteht ein Zusammenhang?
Die Meisen in Deutschland verenden tatsächlich an Lungenentzündungen. Doch mit Covid hat das nichts zu tun. Der Erreger wurde identifiziert, es handelt sich um ein Bakterium namens Suttonella ornithocola. Laut dem Naturschutzbund Deutschland befällt es fast ausschliesslich Meisen und unter diesen vorwiegend kleinere Arten wie die Blaumeise.
Wie der Erreger übertragen wird, wissen selbst die Fachleute nicht mit Sicherheit. Man nimmt aber an, dass die Übertragung bei nahem Kontakt der Vögel untereinander am wahrscheinlichsten ist. Damit ist auch klar, wie sich die Ausbreitung bremsen liesse: Die Vögel müssten Abstand halten. Was tönt wie ein flacher Witz, ist tatsächlich ernst gemeint. Während wir Menschen auf den Besuch von Restaurants und Schwimmbäder verzichten, sollten Gartenbesitzer mit kranken Meisen aus denselben Gründen aufs Füttern verzichten und Vogelbäder entfernen.
Die Blaumeise ist in ihrem Bestand nicht gefährdet. Doch dem Naturschutzbund wurden innert zwölf Tagen 26000 erkrankte Vögel gemeldet. Sie konzentrieren sich auf einen Gürtel, der auf Höhe Frankfurt durch den Westen Deutschlands läuft. Auch Luxemburg und Belgien sind betroffen. Die Vögel in der Schweiz scheinen bislang verschont geblieben zu sein. Allerdings berichtet der «Südkurier» von einer Handvoll Fälle aus Konstanz. Es sei zu befürchten, dass sich die Epidemie auf den gesamten Bodenseeraum ausweite, sagte eine Expertin des Naturschutzbundes.
Die Krankheit, die seit einigen Tagen in Basel Tauben dahinrafft, geht aber auf einen anderen Erreger zurück. Hinter der sogenannten Taubenpest steckt ein Virus, das über Futter, Trinkwasser oder über Sekret direkt von Taube zu Taube übertragen wird. Es kann zu Lähmungen der Flügel und Beine führen, worauf die Vögel verdursten oder verhungern.
In Basel gab es bis gestern 11 bestätigte Fälle. «Wir stehen noch am Beginn des Seuchenverlaufs», sagt Kantonstierarzt Michel Laszlo. Ein Seuchenausbruch könne einige Wochen anhalten, aber im aktuellen Fall liesse sich die Dauer noch nicht abschätzen. Der Verlauf hänge unter anderem davon ab, wie stark Tauben untereinander in Kontakt kommen, zum Beispiel an zentralen Futterstellen.
In Basel-Stadt ist das Füttern von Tauben seit letztem Herbst verboten. Im März wurde das Verbot aus Tierschutzkreisen infrage gestellt: Weil die Menschen zu Hause blieben, lägen kaum mehr Essensreste herum und die Tauben hungerten. Die Behörden sehen das anders, wie sie vergangene Woche bekräftigten – an Futterstellen könnten sich Tauben infizieren und es herrsche keine Futterknappheit.
Das Virus kann auch auf Menschen übergehen, ist für uns aber nicht gefährlich. Es löst allenfalls eine Bindehautentzündung oder leichte Grippesymptome aus. Wer einen kranken oder toten Vogel findet, sollte ihn nicht mit blossen Händen anfassen. Auch eine Übertragung auf Geflügel ist nicht auszuschliessen und könnte schlimmstenfalls dazu führen, dass der gesamte Geflügelbestand eines Betriebs getötet werden muss.
Wie das Virus den Weg nach Basel gefunden hat, ist unbekannt. Die letzten Fälle in der Schweiz gab es laut dem Bundesamt für Veterinärwesen im November im Kanton Jura. Michel Laszlo vom Kanton Basel-Stadt sagt: «Das Virus zirkuliert in den Wildtaubenbeständen und es gibt immer wieder spontan Ausbrüche in der Schweiz.» Er rechnet aber nicht damit, dass sich die Krankheit von Basel aus weiter ausbreitet, da Tauben in der Stadt relativ standorttreu seien. Brieftauben können sich ebenfalls infizieren, sind aber in der Regel geimpft.
Dem Bundesamt für Veterinärwesen werden seit dem Auftreten der Vogelgrippe in der Schweiz im Jahr 2006 vermehrt tote Vögel gemeldet. Es sei jedoch noch schwer zu sagen, ob tatsächlich mehr sterben oder sie nur häufiger gemeldet werden. Im Unterschied zur Taubenpest ist das Meisensterben in Deutschland ein neues Phänomen. Der Erreger war lange nur in Grossbritannien bekannt, den ersten Fall in Deutschland gab es vor zwei Jahren. Im selben Jahr führte dort das aus Afrika stammende Usutu-Virus zu einem Amselsterben. Auch in der Schweiz gab es Fälle.
Als Todesursache kommen aber nicht nur Krankheiten in Frage. Bei den rund 120 Staren, die im März im Thurgau tot oder halb tot gefunden wurden, fanden sich Lungenblutungen und Schädelverletzungen. Die plausibelste Erklärung ist laut der Vogelwarte Sempach eine Kollision eines Schwarms mit einem Fahrzeug wie einem Lastwagen. (aargauerzeitung.ch)
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