Für die Vergewaltigung mitverantwortlich, weil eine Frau «mit dem Feuer spielte»? Ein Basler Gericht sorgt mit heikler Urteilsbegründung für Unmut, der sich nun auf der Strasse entlädt. Rund 500 Menschen haben sich am Sonntagnachmittag vor dem Basler Appellationsgericht zu einer Kundgebung gegen ein Berufungsurteil in einem Vergewaltigungs-Prozess versammelt. Die unbewilligte Kundgebung verlief friedlich.
Als Unmutsbekundung haben die Anwesenden elf Minuten lang geschwiegen: So lange hätte die Vergewaltigung gedauert – und vor Gericht sei das als «kurze Vergewaltigung» behandelt worden, deshalb die Schweigeminuten, schreibt das Recherchekollektiv element investigate auf Twitter zu folgendem Video:
#BS0808 11Schweigeminuten als Anklage gegen das Skandalurteil. 11 Minuten dauerte die Vergewaltigung. Laut dem "Gericht" eine kurze #Vergewaltigung pic.twitter.com/dsK5Mi5lWb
— element (@__investigate__) August 8, 2021
Dazu kommentiert «element investigate»: «Ein Polizist der Polizei Basel-Stadt während der Schweigeminuten zu einer Frau ‹Ich habe noch nie soviele Frauen so lange schweigen sehen›.»
Auf anderen Transparenten war beispielsweise zu lesen: «Es gibt keine kurze Vergewaltigung». Oder weiter: «Rechtssystem sendet falsche Signale.»
#BS0808 Demo gegen das frauenverachtende Urteil von Basel https://t.co/PInICLw4qT pic.twitter.com/xCLDrspo8u
— element (@__investigate__) August 8, 2021
Das Basler Appellationsgericht hat mit einem Urteil zu einer Vergewaltigung hohe Wellen geworfen. In der Öffentlichkeit wurde kritisiert, das Gericht habe dem Opfer eine Mitschuld an der Tat gegeben.
Am Donnerstag hatte das Gericht Stellung zu dem Urteil genommen. Offenbar seien zahlreiche Missverständnisse entstanden, teilte das Appellationsgericht mit. Es sei dem Gericht darum gegangen, die Sichtweise des Beschuldigten zu prüfen und «nicht darum, das Opfer zu disqualifizieren». Zudem sei das Urteil von einem Dreiergericht und nicht von der vorsitzenden Appellationsgerichtspräsidentin allein gefällt worden.
Die Sprecherinnen der Kundgebung liessen sich durch die formaljuristische Stellungnahme nicht davon abbringen, das Urteil als «skandalös» und als «Armutszeugnis der Judikative» zu brandmarken. Die mündliche Urteilsbegründung habe eine Mitverantwortung des Vergewaltigungsopfers suggeriert, was nicht tolerierbar sei.
Scharf kritisierten die Sprecherinnen, dass die vorsitzende Gerichtspräsidentin die vergleichsweise kurze Dauer der Tat von elf Minuten als strafmildernd ausgelegt habe. Eine Vergewaltigung bleibe eine ungeheuerliche Tat, gleich wie lange sie dauere, sagte eine Sprecherin. Das Urteil ermutige Täter, Berufung einzulegen und schrecke Opfer davon ab, Anzeige zu erstatten.
Konkret forderten die Kundgebungs-Sprecherinnen den «sofortigen Rücktritt» der vorsitzenden Gerichtspräsidentin aus der FDP. Weiter forderten sie eine Schulung der Gerichtspersonen zu den psychosozialen Aspekten sexualisierter Gewalt und darüber hinaus eine Revision des Sexualstrafrechts. Auf vielen Schildern von Teilnehmenden war der entsprechende Grundsatz «Nur Ja heisst JA» zu lesen.
Das zweitinstanzliche Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Basler Staatsanwaltschaft und das Opfer wollen das schriftliche Urteil abwarten und dann entscheiden, ob sie den Fall vors Bundesgericht weiterziehen.
(amü/adi/sda)
Ich finde keine Worte ! Und das sind Worte aus einem Gerichtsurteil? Unfassbar.
Die Psyche eines Menschen wird zerstört. Das ganze Umfeld der vergewaltigt Person wird ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen.
Und was sind die Strafen...???
Meine Meinung, unabhängig vom Artikel.