Wenn am Sonntagnachmittag die Junioren des FC Murten auf dem Fussballplatz stehen, begrüsst zur gleichen Zeit und einige hundert Meter entfernt Leonard Riesen im alten Lokschuppen des Bahnhofs Murten die Museumsbesucher. Er ist 15 Jahre alt und seines Zeichens jüngster Museumsdirektor der Schweiz. Seit sechs Jahren ist der Schüler Museumsbetreiber: Zuerst eröffnete er das Eisenbahn- und Sammler-Museum in seinem Heimatdorf Courlevon und vor drei Jahren die Ausstellung DasDepot.ch, die jeweils von Mai bis Oktober am Sonntagnachmittag geöffnet ist. In regelmässigen Abständen treffen an diesem Sonntag Familien, Bahn-Interessierte oder Ausflügler ein.
Sie alle sind von den vielen historischen Sammelstücken beeindruckt: Das hat alles der junge Typ auf die Beine gestellt? Leonard sitzt hinter dem Empfangstresen, kassiert die acht Franken für den Eintritt und übergibt das Ticket in Form eines alten Zugbilletts – Stil muss sein, bis ins letzte Detail. Im Eingangsbereich fegt Vater Jeorge Riesen den Boden. Er ist oft auch mit seinem Sohn im Museum, unterstützt ihn in vielen Belangen.
Der Schwerpunkt der diesjährigen Ausstellung ist «Treibstoff Holz». Leonard macht sich sofort mit den Besuchern auf die Runde, falls diese es wünschen. «Zu Beginn führe ich in das Thema ein», sagt er. Dazu hat er an einer Holzwand, die einst zum ehemaligen Kornspeicher gehörte, die Entwicklung des Verbrennungsmotors mit Holzbetrieb mit Daten, historischen Fotos und Zeichnungen illustriert.
Dieser Antrieb sei vor allem in den Jahren um den Zweiten Weltkrieg zum Einsatz gekommen, erklärt der Sammler, weil kein Benzin vorhanden war. Für die Informationen und Bilder hat er in aufwendiger Recherchearbeit die Archive und Museen der Region und Fachbücher durchforstet. «Im Winter habe ich jeweils Zeit dafür», sagt der Schüler.
Leonard Riesen hat sich in den letzten Jahren ein gutes Netzwerk mit Informanten und Partnern aufgebaut. Das Museum ist auch als Verein organisiert und im Verband der Museen der Schweiz dabei. So kommt der umtriebige Murtener immer wieder auch an seltene Ausstellungsstücke heran, die er als Leihgaben in seinen Ausstellungen präsentieren darf. Dem Vorstand des Vereins gehörte auch das grosse Vorbild von Leonard Riesen an: Der verstorbene Francis Chevalier war jahrelang Bahnhofvorstand von Murten und von Beginn an ein Unterstützer des Museumsprojekts. «Von ihm konnte ich sehr viel lernen. Er hatte ein unglaublich grosses Bahnwissen», schwärmt Leonard.
Das Museum sei das Resultat seiner Sammelleidenschaft, erzählt Leonard. «Von klein auf haben mich alte Fahrzeuge, aber auch Gegenstände, die mit Mobilität zu tun haben, fasziniert. Ich wollte im Kindergarten immer mit dem sehr alten Spielzeug spielen.» Er steht mit einer kleinen Besuchergruppe im grossen Ausstellungsbereich.
Auch sein Vater Jeorge Riesen hat sich dazugesellt und nickt: «Schon als Kleinkind hat er jedes Detail eines Fahrzeugs genau angeschaut. Sobald er konnte, wollte er mit mir Sachen reparieren.» Wohl auch dank seiner Unterstützung steht der junge Mann heute in seinem eigenen Museum. Ihr erstes gemeinsames Grossprojekt war die Restauration eines alten Lastwagens. Dieser war vor einem Jahr in der Ausstellung im Lokschuppen ausgestellt. Zurzeit sind die beiden an der Revision des Motors seines Peugeot 201 von 1933, der auch im Ausstellungsraum steht. Das sei zwar kein Holzvergasermotor, «aber alle alten Motoren sind für uns eine spannende Herausforderung», meint der junge Tüftler.
Fingerfertigkeit und Geduld beweist er jedoch auch beim Erstellen von Modellen. Für eine Abschlussarbeit der 9. Klasse hat er einen Bahnübergang in der Nähe seines Wohnortes auf der Broye-Linie rekonstruiert. Auch die Nachbildung des alten Bahnhofs von Murten im Massstab 1:160 beweist Fingerfertigkeit im Umgang mit Miniaturen. Hier stimmt jedes Detail: von den historischen Gebäuden über die Führung der Gleise, die Schranken und Züge bis hin zur Hangneigung der Umgebung.
Während des Rundgangs im Museum stellen sich die Besuchenden staunend die Frage: Interesse und technisches Geschick haben ja viele. Doch wie ist es möglich, die Motivation für ein solch aufwendiges Hobby zu erhalten? Leonard Riesen lächelt verschmitzt und zuckt mit den Schultern. So genau wisse er das auch nicht, denn er brauche keine zusätzliche Motivation von aussen. «Mich faszinieren die alten Motoren, weil sie sehr solide gebaut sind. So gut, dass man sie immer wieder reparieren kann.»
Als kommunikativer Typ hatte er einfach den Wunsch, diese Errungenschaften der Technik anderen näherzubringen. Zudem ist er überzeugt, dass wir heute noch von diesen Konstruktionen lernen können. «Langlebige Produkte herzustellen, ergibt doch auch bezüglich Nachhaltigkeit Sinn», ist er überzeugt.
Mit dieser Passion möchte er bestimmt sein Hobby zum Beruf machen? Auch das weiss er noch nicht. «Zuerst wechsle ich im August an die Kantonsschule und mache dann die Matura.»
Klar, ihn interessieren Geschichte und Technik, in diese Richtung wird es vielleicht auch gehen. Aber er möchte sich alles offen halten. «In drei Jahren schaue ich dann wieder weiter», meint Leonard mit seiner bestimmten, aber ruhigen Art. Es lohnt sich wohl, den Werdegang dieses jungen Mannes weiterzuverfolgen – weitere Überraschungen sind garantiert.