«Führen Frauen besser durch die Krise?» warf die Handelszeitung bereits Mitte April in die Runde. Viele weitere Medienberichte folgten. Sie alle berichteten von den Erfolgen Neuseelands, Deutschlands, Finnlands oder Dänemarks im Kampf gegen das Coronavirus. Alle Länder hatten Frauen an der Regierungsspitze.
Supriya Garikipati und Uma Kambhampati, zwei britische Ökonominnen, gingen diesen Vermutungen nun auf den Grund. In einer Kurzanalyse, publiziert beim Centre for Economic Policy Research (CEPR), nahmen sie die 19 von Frauen regierten Länder genauer unter die Lupe und verglichen sie mit den 174 von Männern geführten Staaten.
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In einem ersten Schritt untersuchten die beiden Professorinnen, ob von Frauen geführte Länder tiefere Infektions- und Todeszahlen haben. Die Unterschiede waren signifikant. Länder mit weiblicher Führung haben in Bezug auf die absoluten Covid-19-Fallzahlen und Todesfälle besser abgeschnitten als jene Länder mit männlichen Staatschefs. Von Männern regierte Staaten verzeichnen aktuell fast doppelt so viele Todesfälle.
Weil nur 19 Länder weltweit von Frauen regiert werden, ist die Stichprobengrösse relativ bescheiden. Auch sind die sozio-demographischen und ökonomischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern enorm. Das monieren auch die beiden Autorinnen der Analyse.
Um die statistische Schwäche auszugleichen, paarten sie einen weiblich regierten Staat mit einem männlichen. Dabei schauten sie darauf, dass sich Faktoren wie das Bruttosozialprodukt oder die Bevölkerungszahl möglichst ähneln. Auch diese Vergleiche zeigten, dass sich die Anzahl an Infektionen und Todesfälle signifikant unterschieden. So verzeichnet beispielsweise Deutschland, regiert von Bundeskanzlerin Angela Merkel, wesentlich weniger Covid-19-Todesfälle als England, das von Premierminister Boris Johnson geführt wird.
Ähnlich sieht es auch beim Vergleich von Neuseeland und Irland aus. Das von Premierministerin Jacinda Ardern regierte Neuseeland hat pro fünf Millionen Einwohner viel tiefere Infektionszahlen als das von Präsident Michael D. Higgins geführte Irland.
Die grossen Unterschiede in den Zahlen führen Garikipati und Kambhampati vor allem auf den Zeitpunkt des Lockdowns zurück. «Die von Frauen geführten Länder riegelten deutlich früher ab», schreiben sie.
Was also bewegte die weiblichen Staatschefinnen zu einem rascheren Lockdown? Auch darüber machten sich die beiden Professorinnen Gedanken – und greifen dabei auf diverse Gender-Studien zurück.
Studien haben gezeigt, dass Frauen bei ihren Entscheidungen risikoscheuer vorgehen als Männer. Diese These, so die Autorinnen, sei auch durch die Äusserung einiger Staatsschefs untermauert worden. So bezeichnete der brasilianische Präsident das Coronavirus als «kleine Grippe» und der britische Premierminister meinte nach einem Besuch in einem Krankenhaus: «Ich habe allen Coronavirus-Patienten die Hand geschüttelt.»
Doch diese These alleine reicht nicht. Zwar kann man den weiblichen Präsidentinnen punkto Gesundheit und Menschenleben ein risikoaverseres Verhalten anrechnen. Für die Wirtschaft eines Landes ist ein Lockdown aber ein enormes Risiko. Auch auf diesen Widerspruch gehen die beiden Autorinnen ein.
Hier ziehen Garikipati und Kambhampati eine weitere Studie zu Rate. Diese fand heraus, dass Männer beim Lottospielen Risiken eher meiden, wenn diese als finanzielle Verluste anstatt als Gewinne gewertet werden. Auf die Pandemie übertragen würde das bedeuten, dass die männlichen Staatschefs einen Lockdown scheuten, aus Angst vor grossen wirtschaftlichen Ausfällen.
Ein weiterer Punkt, der die signifikanten Unterschiede erklären könnte, sei die Art, einen Staat zu führen, so die Autorinnen. «Eine Metastudie hat gezeigt, dass Frauen zu einem eher demokratischen und partizipativen Führungsstil tendieren. So sprach Norwegens Premierministerin Erna Solberg direkt mit Schulkindern, um ihre Fragen zum Coronavirus zu beantworten und Premierministerin Jacina Ardern nahm mit der neuseeländischen Bevölkerung via Facebook-Live Kontakt auf.»
Zuletzt merken die beiden Autorinnen an, dass es sich bei der Analyse nur um eine Momentaufnahme handelt. «Alles, was jetzt über die Pandemie gesagt wird, muss durch die Tatsache relativiert werden, dass wir erst am Anfang stehen. Vieles könnte sich in den nächsten Monaten noch ändern.»
Zudem machen sie auch auf die statistischen Schwierigkeiten aufmerksam. Einerseits sind die Testhäufigkeiten der Länder sehr unterschiedlich, anderseits die Zählpraxis der Covid-Todesfälle nicht überall gleich. In einigen Ländern wird beispielsweise beim Tod einer Covid-positiv getesteten Person der Tod als Covid-Tod registiert, unabhängig von anderen Vorerkrankungen.
hier und jetzt einen solchen Vergleich aufzustellen, finde ich äusserst gewagt...