Ausschreitungen in unseren Fussball-Stadien: Das Problem ist die Torheit unserer Klubs
Die Premier League in England ist die erfolgreichste Fussballliga der Welt. Aber zuerst musste sie das Gewalt-Problem lösen, das bis in die 1990er Jahre hinein eine Geissel der höchsten britischen Liga war.
Unsere höchste Spielklasse könnte von den Engländern lernen. Ralph Krueger ist Präsident und General Manager des Spitzenteams Southampton. Er erklärt, wie die Gewalt nach dem Grundsatz «Zero Tolerance» aus den Stadien verbannt worden ist.
- Jeder Zuschauer (bzw. Zuschauerin) wird registriert, seine Identität ist dem Klub bekannt. Nur gegen Offenlegung der Identität ist es überhaupt möglich, ein Ticket zu kaufen.
- Wer ein Ticket weiter gibt (beispielsweise an eine nicht registrierte Person) riskiert lebenslängliches Zutrittsverbot für sämtliche Stadien.
- Die Video-Überwachung im Stadion ist total und rund 300 Sicherheitsleute setzten in Southampton die Ordnungsregeln konsequent durch. Wer sich nicht regelkonform benimmt, wer beispielsweise im falschen Block sitzt, wird sofort aus dem Stadien gewiesen und riskiert lebenslängliches Stadionverbot.
- Keine Stehplätze. Nur nummerierte Sitzplätze.
- Kein Alkohol im Stadion. Von dort aus, wo das Spielfeld sichtbar ist, darf kein Alkohol konsumiert werden. Das bedeutet, dass in den VIP-Logen die Vorhänge zugezogen werden müssen, wenn Cüplis serviert werden. Wer Fussball sieht, darf nicht trinken. Ralph Krueger sagt, das reduziere zwar die Gastronomie-Einnahmen. Aber das werde bei weitem durch den Imagegewinn der Liga aufgewogen. Die Premier League ist wirtschaftlich die erfolgreichste Fussball-Liga der Welt.
Zusammen mit der «Versitzplatzung», den hohen Eintrittspreisen und der konsequent durchgesetzten Platzordnung hat sich der Fussball sozial verändert. Die gewaltbereiten Proletarier sind dem gutbürgerlichen, anständigen Publikum gewichen, das Fussball als gute Unterhaltung geniessen will. Dazu gehören auch viele Frauen und Kinder. In den Stadien gibt es keine Zäune mehr.
Ticketpreise teilweise fast 1000 Prozent gestiegen
Unter 50 Franken sind keine Tickets zu haben. Die Ticketpreise sind bei einigen Klubs in den letzten 20 Jahren um fast 1000 Prozent gestiegen.
Kein Wunder, ist die Premier League die mit grossem Abstand erfolgreichste Fussball-Liga der Welt. Die 20 Klubs können sich für die TV-Übertragungsrechte der nächsten drei Jahre etwas mehr als sieben Milliarden Franken teilen – das sind 14,40 Millionen pro Spiel.
Drei Katastrophen sorgten für das Umdenken
Ralph Krueger sagt: «Die Premier League ist die einzige Fussball-Liga, die nach den Grundsätzen des nordamerikanischen Sportgeschäftes funktioniert. Die Liga-Einnahmen werden unter den Klubs so aufgeteilt, dass auch die sogenannten Small Market Teams eine Chance bekommen, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Aber nur wer sich nicht dazu hinreissen lässt, während der Saison zu viel Geld in Transfers zu investieren – was sich in der Regel sportlich gar nicht auszahlt – kann Gewinn erwirtschaften.» Inzwischen ist der Durchschnittslohn der Spieler auf über vier Millionen Franken geklettert.
Darüber hinaus erwartet die Liga, dass die fehlbaren Einzelpersonen identifiziert, der Justiz zugeführt und mit einem mehrjährigen Stadionverbot belegt werden.
Für diese Entwicklung von einer gewaltgeprägten Liga hin zum grössten Fussball-Business auf dem Planeten waren allerdings drei Katastrophen nötig: 1985 das Unglück von Bradford (56 Menschen verbrannten), kurz darauf die Tragödie im Brüsseler Heysel-Stadion, als 39 Zuschauer auf der Flucht vor Liverpooler Hooligans starben und schliesslich 1989 das Drama im Stadion von Sheffield, als auf einer überfüllten Tribüne 96 Menschen zu Tode gedrückt wurden.
Unfassbare Torheit, dass Klubs sich vom Mob «terrorisieren» lassen
Das Problem der Hooligans haben die Klubs in der Premier League selber gelöst. Die Lösungen und Veränderungen, die den britischen Fussball in der höchsten Liga von der Geissel des gewaltbereiten Mobs befreit haben, wären in einem so wohlhabenden Land wie der Schweiz problemlos möglich. Gerade die Schweiz hätte ein enormes Potenzial an gutbürgerlichen, gesitteten Fussballkonsumenten.
Es ist im Grunde eine unfassbare Torheit, dass die Schweizer Klubs sich seit Jahren vom Mob «terrorisieren» lassen und die Verantwortung an die Polizei beziehungsweise die Politik abzuschieben versuchen statt selber mit einer tiefgreifenden Reform das Problem endlich anzupacken. Unsere Raiffeisen Super League hätte alles, um eine kleine, feine und wohlhabende Schwester der Premier League zu sein. Aber sie verkommt immer mehr zu einer gewaltgeplagten Liga, für die wir uns europaweit schämen müssen.