Der Cup! Der Cup! Der Cup! Regelmässig betonte St.Gallens Präsident Matthias Hüppi seit seiner Amtsübernahme, dass es sein grosser Traum sei, dass der FCSG wieder einmal in einem Cupfinal nach der Trophäe greifen könne. Er ist sich bewusst, wo sein Klub in der Hierarchie steht und dass ein Meistertitel eher einem Wunder gleich kommt – und die sind bekanntlich selten. Wobei man niemals nie sagen sollte, denkt man an die vergangene Saison zurück, in der die St.Galler dem Branchenleader YB lange einheizten.
Trotzdem bleibt der Weg zu einer Trophäe im Cup-Wettbewerb kürzer. Bloss drei Spiele musste der FC St.Gallen in dieser speziellen Corona-Saison gewinnen, um in den Final einzuziehen. Die Gegner hatten es jedoch in sich: Zunächst das grosse YB, das im Achtelfinal 4:1 geschlagen wurde. Dann auswärts ein souveräner Sieg beim Rekordcupsieger GC, das in der Challenge League Leader ist. Und nun ein Auswärtssieg beim Meisterschaftsdritten Servette.
«Wir sind über die Grenzen hinaus gegangen», betonte St.Gallen-Trainer Peter Zeidler. Es sei schwierig gewesen, Servette ein spielstarker Gegner. «Wir brauchten auch Glück und Zigi.» Der Torhüter hatte mit zahlreichen, teils spektakulären Paraden seinen Anteil am Cupfinal-Einzug.
Der zweite Matchwinner war der einzige Torschütze. Sieben Minuten waren noch zu spielen, als Basil Stillhart sich über die rechte Seite Servettes Tor näherte. Er bemerkte, wie der Genfer Goalie Jérémy Frick sich etwas weit vor der Linie postiert hatte – und erwischte ihn mit einem frechen, cleveren Schuss in die nahe Ecke.
«Zunächst wollte ich zu Kwado Duah passen, so wie man das in so einer Situation normalerweise macht. Aber dann sah ich, dass Jérémy Frick einen oder eineinhalb Meter vor dem Tor steht und schoss in die nahe Ecke», beschrieb der 27-jährige Stillhart den Moment der Entscheidung. «Das habe ich gut gemacht, das muss ich schon sagen.»
Sein Beschluss, es selbst zu versuchen, war verwegen – doch die St.Galler hatten Fricks Positionsspiel als Schwachstelle ausgemacht. «Goalietrainer Stefano Razzetti sagte mir eine Stunde vor dem Spiel, dass Frick tendenziell zu weit vor dem Tor stehe, und dass ich es in so einer Situation mal auf die kurze Ecke versuchen solle», verriet Mittelfeldspieler Lukas Görtler. «Und dann macht es Basil eiskalt, ich dachte: ‹Das gibt's ja gar nicht!›»
Stillhart selber wusste von Razzettis Tipp nichts. «Das hat mir Lukas vorhin eben erst erzählt», sagte der Ostschweizer. Er sprach von «einem typischen Cupfight». Mit vorlaufender Dauer der Partie habe man auf dem Feld gespürt, dass derjenige gewinnen würde, der das erste Tor erzielt.
Für Basil Stillhart wird es der zweite Cupfinal der Karriere sein, 2019 erreichte er ihn bereits mit dem FC Thun. Mit den Berner Oberländern verlor er ihn 1:2 gegen den FC Basel, dieses mal nun soll es klappen: «Ich will diesen Kübel nun endlich nach Hause holen, hoffentlich klappt es im zweiten Anlauf.»
Zunächst steht aber die Meisterschaft im Fokus, wo der FC St.Gallen gegen den Abstieg kämpft. Am Sonntag kommt es zum Heimspiel gegen das Schlusslicht FC Sion. Drei Punkte – und zumindest der direkte Abstieg ist verhindert. «Wenn wir am Sonntag gewinnen, wird das noch ein schönerer Moment sein», betonte Trainer Zeidler. «Donnerstag, Freitag und Samstag können wir regenerieren und dann kriegen wir schon wieder eine Mannschaft hin, die alles gibt. Ich will nicht von Müdigkeit reden, aber ich kann das Thema auch nicht unter den Tisch kehren, es ist einfach so. Diese Saison geht an die Grenzen und teilweise darüber hinaus.»
Auf den Sonntag wies nach dem Schlusspfiff auch Lukas Görtler hin. 2015 wurde er Deutscher Meister mit dem FC Bayern München, hatte mit einem einzigen Einsatz von 18 Minuten aber einen marginalen Anteil am Titel. Beim Cupsieg wäre das anders, der Franke ist in St.Gallen eine der grossen Führungsfiguren. Doch das ist noch Zukunftsmusik, zunächst ging es mit dem Car zurück, quer durch die Schweiz – mit einem Halt unterwegs, bei dem nicht nur die Beine vertreten wurden, wie Görtler verriet: «Miro Muheim kam am Montag zu spät ins Training. Da haben wir ihm gesagt, er müsse die Rechnung an der Raststätte übernehmen, falls wir heute gewinnen.»
Bei der Ankunft im St.Galler Stadion wurde die Mannschaft trotz fortgeschrittener Stunde von Fans empfangen. Das ist der ganz grosse Wermutstropfen an dieser Finalqualifikation: Dass sie ausgerechnet in einem Jahr gelang, in dem wegen des Coronavirus keine Zuschauer im Stadion dabei sein dürfen. Wer die Bilder der grün-weissen Invasion nach Bern vom 1. Juni 1998 noch im Kopf hat, der weiss, was der Fussballschweiz am Pfingstmontag entgeht.
Nun müssen die Fans der Ostschweizer halt zuhause mitfiebern. Und sie werden hoffen, dass der Final gegen Luzern nicht so dramatisch endet wie jener 1998 gegen Lausanne, als St.Gallens Doppeltorschütze Edwin Vurens einen Penalty verschoss und die Waadtländer so nach einem 0:2-Rückstand noch im Penaltyschiessen gewinnen konnten.
Ich war damals 1998 im Stadion und denke noch oft an diesen Match zurück. Ich hoffe dieses Trauma kann nun endlich überwunden werden. :-) Auf ein würdiges Endspiel, Hopp Sangalle