Was das Verhältnis zwischen den USA und Russland betrifft, war Donald Trump kein Wach-, sondern ein Schosshund. In geradezu hündischer Ergebenheit huldigte Trump dem russischen Präsidenten. Er desavouierte gar seine eigenen Geheimdienste, um Putin zu schmeicheln.
Mit diesem Schmusekurs ist Schluss. Das hat Joe Biden schon in seinem ersten Telefongespräch mit Putin klar gemacht. Anders als Trump lässt Biden auch eine Zusammenfassung dieses Gesprächs veröffentlichen. Daraus geht hervor, dass der 46. Präsident von Russland Folgendes erwartet:
Die demokratische Entwicklung der Ukraine darf nicht behindert werden. Cyberattacken wie im Wahlkampf 2016 und jüngst im Fall von «Solar Winds» werden nicht mehr geduldet. Biden ist überhaupt nicht erfreut, wenn Putin den Taliban ein Kopfgeld für getötete US-Soldaten verspricht; und auch in Sachen Alexei Nawalny versteht er keinen Spass.
Die Regierung Biden will jedoch keine Total-Opposition gegen Russland. So haben die beiden Präsidenten bereits in ihrem ersten Telefongespräch vereinbart, dass das Rüstungsabkommen START um fünf Jahre verlängert werden soll. Doch es ist auch klar, dass zumindest für die nächsten vier Jahre zwischen Russland und den USA ein Klima der nüchternen Distanz herrschen wird.
Die neue Russlandpolitik Bidens erinnert an das sogenannte «Containment». So wird die Politik der USA gegenüber Russland während des Kalten Krieges genannt. Geistiger Vater war der damalige US-Botschafter in Moskau, George Kennan.
Das Ziel dieser Politik lässt sich etwas salopp wie folgt zusammenfassen: Die USA sorgen mit militärischen, wirtschaftlichen und Propaganda-Mitteln dafür, dass das sowjetische Regime möglichst wenig Schaden ausserhalb seiner Landesgrenzen und des Ostblocks anrichten kann.
Michael McFaul war zwischen 2012 und 2014 amerikanischer Botschafter in Russland. In einem Artikel in «Foreign Affairs» hat er jüngst dargelegt, weshalb heute Kennans Containment-Politik neu aufgelegt werden muss. Hier seine zentralen Argumente:
Nach der Implosion der Sowjetunion wurde Russland von den Amerikanern gerne belächelt. «Russland ist eine Tankstelle, die sich als Nation ausgibt», spottete etwa Mitt Romney. Eines der nicht wirklich geglückten Zitate von Präsident Barack Obama lautete, Russland sei zu einer Regionalmacht abgestiegen.
Wirtschaftlich gesehen mag dies zutreffen, militärisch nicht. Putin hat das viele Geld, das Russland in den Zeiten des hohen Ölpreises eingenommen hat, dafür verwendet, seine Streitmächte von Grund auf zu modernisieren. McFaul stellt fest:
Propaganda war ein zentrales Element der Politik der Sowjets. Auch unter Putin ist Russland bemüht, den Rest der Welt zu beeinflussen. Mit rund 300 Millionen Dollar finanziert Putin deshalb die TV-Station RT, die sich rühmt, der am meisten angeklickte News-Kanal auf YouTube zu sein.
Russische Stiftungen und die Nachrichtenagentur Sputnik sind weitere Instrumente im russischen Propaganda-Kasten. «Mit so vielen Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, kann man Putin nicht mehr als jemanden bezeichnen, der eine zerfallende Macht präsidiert», so McFaul. «Eine solche Analyse weckt falsche Hoffnungen.»
Einst priesen die Russen den Sowjetmenschen als Modell des Homo sapiens der Zukunft an. Heute versteht sich Putin als Retter des christlichen Abendlandes und Führer eine illiberalen konservativen Welt. Demokratie und Liberalismus hält er – wie er einst in einem Interview mit der «Financial Times» bekannte – für dekadent und überholt.
Putins Botschaft findet Anklang. Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen und der ungarische Premierminister Viktor Orban feiern ihn schon seit langem in den höchsten Tönen. In diesen Chor eingestimmt haben mittlerweile auch der tschechische Premier Andrej Babis, der englische Brexit-Prophet Nigel Farage, Matteo Salvini in Italien und Geert Wilders in Holland.
Besorgt stellt daher McFaul fest:
Wie einst die Sowjetunion versteht sich Russland heute als Gegenspieler des Westens. «Putin will keine Kooperation mit dem Westen», so McFaul. «Es will auch nicht ein respektiertes Mitglied der liberalen Weltordnung werden. Vielmehr will er diese von den USA angeführte Weltordnung zerstören.»
Wie einst die Sowjets müssen Putin und seine Handlanger daher in Schach gehalten werden. McFaul empfiehlt wirtschaftliche Massnahmen wie die Blockierung der Gasleitung Nord Stream 2 oder Sanktionen, die weit über die Blockierung von ein paar Konten russischer Oligarchen hinaus gehen.
Ferner sollen sowohl die amerikanische Hard- als auch die Softpower verstärkt werden. Will heissen: Die konventionellen Streitkräfte der NATO sollen so aufgerüstet werden, dass sie in der Lage sind, einen russischen Angriff erfolgreich abzuwehren. Gleichzeitig sollen auch die von Trump kastrierten Propagandamittel Radio Free Europe/Radio Liberty wieder aufgerüstet werden, um so ein Gegengewicht zu Putins Propagandamaschinerie zu schaffen.
Dringend empfiehlt McFaul jedoch, einen Fehler aus dem Kalten Krieg zu vermeiden. Nicht die Russen, sondern die russische Regierung soll an den Pranger gestellt werden. «Biden und sein Team müssen alles unternehmen, um einen klaren Unterschied zu machen zwischen Putin und dem russischen Volk», so McFaul.
Doch alle Russen sind Patrioten. Wer sich gegen Mütterchen Russland stellt, weckt ihren Zorn. Und diese Menschen sind extrem zäh und opferbereit. Wer auf Zermürbung setzt, kann gegen Russland nur verlieren.
PS: Bei Nord Stream 2 geht es den Amis leider um wirtschaftliche Eigeninteressen. Putin wird nur vorgeschoben.
Hoffentlich fällt Europa nicht auf diesen Trick rein und emanzipiert sich endlich. Ein Schmusekurs gegenüber Russland ist aber ebenfalls nicht in Interesse Europas.
Und ja: Auch China hat genügend Fanboys in liberalen, demokratischen Ländern, die bereitwillig die Propaganda von Xinhua, Global Times, People's Daily und CGTN. Auch in diesen Kommentarspalten - und in der Politik sowieso. Umsonst hat die Schweiz keine Absichtserklärung in Sachen neuer Seidenstrasse unterschrieben - was ich nach wie vor für einen eklatanten Fehler halte.