Die Frage hat sich in den vergangenen Monaten längst zu einem heiteren Rätselraten entwickelt. Ist er dabei? Oder fehlt er wieder?
Er, das ist Stephan Lichtsteiner, Rechtsverteidiger und Captain der Schweizer Nationalmannschaft. Im Januar wird er 36-jährig, seit Sommer ist er beim FC Augsburg in der Bundesliga unter Vertrag. Lichtsteiner hat die grosse Bühne von Juventus Turin und Arsenal London eingetauscht. Doch Wille und Ehrgeiz sind ungebrochen. Die Lust auf Fussball sowieso. Nur durfte er in letzter Zeit kaum mehr das Schweizer Nationaltrikot überstreifen.
In den vergangenen Monaten wusste niemand so genau, was die Pläne von Nationaltrainer Vladimir Petkovic für Lichtsteiner sind. Und es musste befürchtet werden, dass ein nächster Abgang durch die Hintertüre droht. So, wie das schon bei Gökhan Inler, Valon Behrami, Blerim Dzemaili oder Johan Djourou der Fall war.
Am Freitag nun gab Petkovic bekannt, für die EM-Qualifikationsspiele gegen Dänemark und Irland wieder auf Lichtsteiner zu setzen. «Der Kontakt zwischen uns war immer gut. Stephan hat sich zu jeder Zeit tadellos verhalten, auch als ich auf andere Spieler setzte», sagt Petkovic. Und fügt an: «Wir hatten ein tolles Gespräch in Augsburg. Dabei hat er mir erneut versichert, sich jeder Aufgabe im Nationalteam stellen zu wollen, sei es auf dem Platz oder als Führungsspieler neben dem Platz.»
Seit der WM 2018 in Russland hat Lichtsteiner nur noch zwei von zwölf Partien für die Schweiz absolviert. Im März dieses Jahres zum Start der EM-Qualifikation erhielt er letztmals ein Aufgebot. Davor und vor allem danach verzichtete Petkovic auf ihn. Zuletzt mit der Begründung, dass Lichtsteiner fast die gesamte Vorbereitung alleine bestritt, weil er noch keinen neuen Vertrag in Aussicht hatte. Der Wechsel zu Augsburg konkretisierte sich erst kurz vor den Nati-Spielen im September.
Der Spieler selbst hat auf die zwischenzeitliche Verbannung immer vorbildlich professionell reagiert. Er hat die Entscheidung – auch wenn er sie nicht nachvollziehen konnte – respektiert und auf öffentliche Kritik an Petkovic verzichtet.
Das war durchaus auch das Glück des Trainers. Denn der Verzicht auf Lichtsteiner war teilweise nur schwer zu begründen. Und Petkovics Position hätte sich wohl nachhaltig geschwächt, wenn es zum Eklat gekommen wäre. Die Kommunikationspannen rund um die WM und beim Rücktritt von Valon Behrami sind noch nicht in Vergessenheit geraten.
Lichtsteiner sagte in einem Interview mit der «NZZ» vor zwei Wochen: «Ich spüre, dass das Team noch etwas von meiner grossen Erfahrung brauchen kann.» Das ist wohl ziemlich treffend formuliert. Wer weiss, ob ein WM-Achtelfinal gegen Schweden (0:1) oder die jüngsten Spiele gegen Dänemark (3:3 nach 3:0-Führung) und Irland (1:1 nach 1:0-Führung) genauso ausgegangen wären, wenn Lichtsteiner in diesen kritischen Momenten auf dem Platz gestanden hätte.
Keine Spekulation, sondern Fakt ist, dass der Umbruch des Schweizer Teams nach der WM bemerkenswert gross war. Wenn ein Behrami, Dzemaili, Djourou und Gelson Fernandes allesamt nicht mehr da sind, dann fehlt ganz abgesehen von sportlichen Qualitäten plötzlich sehr viel Erfahrung und menschliche Reife. Auch darum tut Stephan Lichtsteiner dieser Mannschaft weiter gut. Vielleicht wäre es nicht falsch, wenn sich Petkovic ziemlich bald festlegt, bis mindestens nach der EM 2020 stets auf seinen Captain zu setzen, sodann er fit ist. Eine Stammplatzgarantie muss er ja nicht gleich aussprechen.
Ob Lichtsteiner schon gegen Dänemark wieder in der Startaufstellung steht, entscheidet Petkovic unter der Woche. Seine Konkurrenten Michael Lang und Kevin Mbabu sind in dieser Saison jedenfalls noch nicht übermässig positiv aufgefallen.
Der Freitagnachmittag in Luzern stand im Zeichen der Versöhnung. Neben Petkovic sprach auch Nationalmannschafts-Direktor Pierluigi Tami salbungsvolle Worte. Dies, nachdem der Verband bereits am Donnerstag darüber orientierte, dass Xherdan Shaqiri wieder für das Nationalteam zur Verfügung stehen wird, sobald seine Verletzung auskuriert ist.
Petkovic ist es damit wohl gelungen, die dringendsten Themen, die das Potenzial für Unruhe hätten, bereits vor dem Zusammenzug am kommenden Montag aus dem Weg zu räumen. Das Bemühen des Verbands, der Kommunikation etwas mehr Acht zu schenken, ist jedenfalls sichtbar.
Ein eindeutiges Zeichen, wie wichtig ihnen die Mannschaft ist im Vergleich zu persönlichen Befindlichkeiten, sendeten Tami und Petkovic auch noch aus. Sie respektieren den Entscheid von Torhüter Roman Bürki, sich vorerst auf den Klub zu konzentrieren. Jedoch wird eine Rückkehr ins Nationalteam frühestens nach der EM 2020 zum Thema. Bis dahin setzt Petkovic auf jene Torhüter, die sich auch für die Rolle als Ersatz des unumstrittenen Yann Sommer nicht zu schade sind.
Mags ihm gönnen. Evt wäre es aber auch an ihm nach der möglichen EM20 zu sagen "jetzt ist gut". Man kann Petkovic mangelnden Stil vorwerfen wenn es um altgediente Spieler geht. Gleichzeitig darf man azch festhalten, dass es in der Nati selten würdevolle Abgänge gab in denen ein Spieler von sich aus den Hut nahm.