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Coronavirus: Infektion bedeutet offenbar nicht automatisch Immunität

epa08531964 A health worker writes on a blood vial after performing an Enhanced Chemiluminescence Immunoassay (ECLIA) antibody test on a man at a drive-thru COVID-19 testing facility at the Medical Ci ...
Eine Frau beschriftet eine Blutprobe nach einem Antikörper-Test.Bild: keystone

Coronavirus-Infektion bedeutet offenbar nicht automatisch Immunität

08.07.2020, 11:31
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In der Corona-Pandemie hoffen viele Menschen auf Immunität - nach überstandener Infektion oder durch eine bald verfügbare Impfung. Nun aber deuten viele Studien darauf hin, dass gerade bei Menschen, die nur wenige oder gar keine Symptome hatten, schon bald nach einer Infektion keine Antikörper im Blut mehr nachweisbar sind.

Zwar ist noch unklar, was das für eine mögliche Immunität bedeutet. Doch die Beobachtungen wecken Zweifel an der Aussagekraft von Antikörpertests und an den derzeit diskutierten Immunitätspässen. Auch für die Entwicklung eines Impfstoffs wäre ein möglichst genaues Verständnis der Immunantwort auf SARS-CoV-2 zentral.

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Die Immunantwort auf die Covid-19-Erreger scheint bei Menschen unterschiedlich auszufallen. Grundsätzlich kann das Immunsystem etwa mit sogenannten T-Zellen auf Krankheitserreger reagieren. Manche T-Zellen aktivieren B-Zellen, die dann Antikörper bilden. Antikörper binden an bestimmte Merkmale von Erregern und können diese so inaktivieren.

Wenig Antikörper nach mildem Krankheitsverlauf

Auf den ersten Blick scheint das Vorhandensein spezieller Antikörper ein guter Hinweis auf eine frühere Infektion zu sein. Allerdings fand eine Untersuchung des Universitätsspitals Zürich bei Menschen mit milden oder asymptomatischen Verläufen keine sogenannten IgG-Antikörper im Blut. Diese sind wichtig für das Immungedächtnis, damit das Immunsystem bei erneutem Kontakt mit dem Erreger stärker und schneller reagiert. Die Studie ist noch nicht von Experten begutachtet oder in einem Fachjournal publiziert.

Eine weitere noch ungeprüfte Untersuchung des Lübecker Gesundheitsamts fand bei 30 Prozent von 110 Corona-Infizierten mit ebenfalls höchstens mässigen Covid-19-Symptomen keine Antikörper. Und im Fachblatt «Nature Medicine» berichten Forscher aus China, dass bei Infizierten ohne Symptome die Antikörper-Konzentration im Blut bereits nach kurzer Zeit deutlich sank.

Immunität hält nicht unbedingt an

Solche Studien lassen die Aussagekraft von Antikörper-Massentests, die das Ausmass der Corona-Infektionswelle in der Bevölkerung klären sollen, fraglich erscheinen. Ausserdem könnte eine durch Antikörper gegebene Immunität bei vielen Sars-CoV-2-Infizierten schon nach kurzer Zeit wieder verschwinden.

Entsprechend skeptisch sieht Thomas Jacobs vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) die Einführung von Immunitätspässen für Menschen, die eine Infektion mit SARS-CoV-2 hinter sich haben. Wissenschaftlich ist ohnehin nicht gesichert, dass die Präsenz von Antikörpern automatisch vor einer erneuten Infektion schützt. «Wir wissen generell noch nicht genau, wie Antikörper schützen», stellte der Immunologe fest. Studien würden zwar einen solchen Schutz nahelegen, «aber wie hoch beispielsweise der Antikörper-Spiegel dafür sein muss, bleibt unklar».

Unterschiedliche Antikörper

Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), betont, man müsse bei Antikörpern differenzieren: «Es gibt bei Antikörpern verschiedene Qualitäten, und nicht alle verhindern eine Infektion.» Wichtig sei hier, harte Daten zu finden: «Ob ein Immunschutz entsteht, muss an der Realität gemessen werden.»

«Es gibt bei Antikörpern verschiedene Qualitäten, und nicht alle verhindern eine Infektion.»

Ebenso wenig überraschen Jacobs die Studienresultate, dass gerade bei asymptomatischen Erkrankungen schnell wenige oder gar keine Antikörper mehr auffindbar sind: «Wenige Viren im Hals- und Rachenbereich genügen wahrscheinlich nicht, um eine grosse Antikörper-Antwort oder T-Zellen-Immunität auszulösen.» Bei Covid-19-Erkrankungen mit schwereren Symptomen werde indes vermutlich schon ein längerfristiger Schutz aufgebaut.

Teil-Immunität als Grund für unterschiedliche Symptome

Wie der Virologe Shane Crotty vom La Jolla Institute of Immunology in Kalifornien dem Fachmagazin «Nature» erklärte, könnte eine Symptome abmildernde Immunität länger bestehen bleiben. Ungewiss ist, welcher Teil der Immunabwehr besonders wichtig für diesen Schutz ist. «Neben den Antikörper bildenden B-Zellen kann die T-Zell-Antwort auf den Erreger genauso wichtig sein», erklärt Jacobs. Welcher Mechanismus hier vor allem wirke, sei eine zentrale Frage für die Entwicklung eines Impfstoffs.

Dazu verweist der Infektionsforscher auf Studien aus den USA und Deutschland: Darin hatten bis zu 30 Prozent der Menschen, die nicht mit SARS-CoV-2 infiziert waren, dennoch bestimmte T-Helferzellen, die auf dieses Coronavirus reagierten: «Wahrscheinlich hatten sie schon einmal Kontakt mit sogenannten Common-Cold-Coronaviren» - also mit anderen Coronaviren, die herkömmliche Erkältungen auslösen.

Ein solcher Kontakt könnte eine Teil-Immunität gegen Covid-19 bieten. «Das würde erklären, warum bei der Infektion so unterschiedliche Dynamiken und Symptome zu beobachten sind», vermutet Jacobs. Noch ist allerdings unklar, ob und welchen Schutz diese sogenannte T-Zell-Reaktivität bieten könnte. (cma/sda/apa/dpa)

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46 Kommentare
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Jaklar
08.07.2020 13:47registriert September 2015
Dann ist das thema herdenschutz aber gegessen. Dann sind die schweden jetzt aber am A.......
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Gatekeeper
08.07.2020 11:39registriert März 2015
War von anfang an klar und so auch von Mr. Corona kommuniziert worden. Abgesehen davon, dass es die ersten Mutationen gibt und daher die Antikörper wahrscheinlich nutzlos sein werden gegen die neuen „Versionen“
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hgehjvkoohgfdthj
08.07.2020 13:03registriert März 2020
Ich kenne das Problem. Ich reagiere sehr gutmütig auf alle möglichen viralen Infektionen. Hatte noch nie eine richtige Grippe, sondern nur einzelne Sympthome, die rasch wieder verschwinden. Tönt gut, hat aber Nachteile: Windpocken hatte ich z.B. 2 mal in schwacher Form. Offenbar haben die Antikörper der ersten Infektion nicht für eine Immunität ausgereicht,
Deshalb rechne ich in meinem Fall auch bei Corana nicht mit einer bleibenden Imunität und bleibe vorsichtig, zumal man noch zuweng über die Spätfolgen weiss.
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