Trotz Brexit behält der Bundesrat seinen europapolitischen Kurs bei. In der Zuwanderungsfrage arbeitet er weiterhin auf eine Einigung mit der EU hin. Eine Lösung noch in diesem Sommer ist indes unwahrscheinlich.
Der Bundesrat werde sich mit «aller Kraft für eine einvernehmliche Lösung» mit der EU einsetzten, sagte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann am Freitag vor den Medien in Bern. Er weiss, dass das schwierig wird: Die EU habe zwar Bereitschaft signalisiert, die Gespräche nach der Abstimmung zu intensivieren. Mit dem Austritt Grossbritanniens sei die Lösungssuche aber nicht einfacher geworden, sagte Schneider-Ammann.
Der Bundespräsident bemühte sich sichtlich, den Ball flach zu halten. Der Brexit schaffe eine neue Ausgangslage, sagte er. Zur Frage, was das für die Europapolitik der Schweiz bedeutet, äusserte er nicht. «Es ist müssig zu spekulieren, wie sich der britische Entscheid auf die Verhandlungen auswirken wird.»
In der Warteschlaufe
Allerdings dürfte der Bundesrat diesbezüglich auch über keine aktuellen Informationen verfügen. «Heute Morgen können Sie in Brüssel nichts bekommen als Schweizer», sagte der Bundespräsident. "Wir sind nicht im Verhandlungszustand. Doch am Grundsatz, dass sowohl die EU als auch die Schweiz an einer Einigung in der Zuwanderungsfrage interessiert seien, habe sich nichts geändert.
Laut Schneider-Ammann ist weiterhin ein Treffen der beiden Seiten geplant. Wann dieses stattfindet und wer daran teilnimmt, sagte er nicht. Ursprünglich war geplant gewesen, dass sich am 6. Juli Migrations-Staatssekretär Mario Gattiker mit seinem Partner auf EU-Seite, Richard Szostak, trifft. Zudem war ein Treffen zwischen den Chefunterhändlern Jacques de Watteville und Christian Leffler vorgesehen gewesen.
Fortschritte nicht absehbar
Der Bundesrat hatte es schon immer als schwierig eingeschätzt, noch im Sommer eine Einigung mit der EU zu finden. Das hätte ihm erlaubt, dem Parlament zeitgerecht eine Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative vorzuschlagen, die sich mit der Personenfreizügigkeit verträgt. Damit ist nun nicht mehr zu rechnen. «Es ist nicht absehbar, ob noch im Sommer weitere Fortschritte erzielt werden können», sagte Schneider-Ammann dazu.
Nach Angaben des Bundespräsidenten nahm der Bundesrat den Entscheid der Briten zur Kenntnis, ohne ihn zu bewerten. Es handle sich um einen souveränen Entscheid der britischen Bürgerinnen und Bürger, der zu respektieren sei. Dieser betreffe aber selbstverständlich auch die Schweiz. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich müssten neu geregelt werden, allerdings nicht von heute auf morgen. Bis auf weiteres gälten die bestehenden Regeln.
Arbeitsgruppe am Werk
Laut Schneider-Ammann hat eine interdepartementale Arbeitsgruppe bereits mit den Arbeiten begonnen. Sie wird dem Bundesrat Vorschläge zur Regelung des zukünftigen Verhältnisses unterbreiten. Neu festgelegt werden müssten die wirtschaftlichen Beziehungen, aber auch viele andere Bereiche, darunter der Personenverkehr.
Zur Frage, ob die Schweiz nun nicht in Grossbritannien einen Partner für Verhandlungen mit der EU finden könnte, sagte Schneider-Amman, es sei nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzudenken. Das «historische Ereignis» sei nun passiert. Es gelte, mit Ruhe vorzugehen.
Belastung für die Exportbranche
Der Bundespräsident stellte weiter fest, der Brexit habe die Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung Europas eher verstärkt. Davon sei auch der Schweizer Wirtschaftsstandort negativ betroffen, ebenso wie von einer erschwerten Lösungssuche mit der EU in der Zuwanderungsfrage.
Der Bundesrat werde die Auswirkungen auf den Kurs des Schweizer Frankens laufend beobachten. Schneider-Ammann wies auf die Kursausschläge an der Schweizer Börse hin. Die Verunsicherung sei gross. Das bedeute für die Exportbranche eine Belastung. Auswirkungen auf den Konjunkturverlauf seien denkbar.
Die Wechselkurspolitik liege in der Verantwortung der Schweizerischen Nationalbank (SNB), sagte Schneider-Ammann. Der Bundesrat äussere sich nicht dazu, stehe aber in engem Austausch mit der SNB-Spitze. Der Bundesrat werde weiterhin alle notwendigen Schritte unternehmen, um die Interessen der Schweiz zu wahren. (sda)