Zuwanderung: Flankierende Massnahmen spalten die Wirtschaft

Zuwanderung: Flankierende Massnahmen spalten die Wirtschaft

10.02.2016, 17:20

Die Debatte um die flankierenden Massnahmen spaltet die Wirtschaft. Arbeitgeber und Gewerbeverband widersetzen sich jeder Verschärfung. Doch Westschweizer Wirtschaftsverbände und einzelne Branchenorganisationen sind anderer Meinung.

Bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative hat der Bundesrat die Sozialpartner im Dezember aufgefordert, sich auf eine Verstärkung der flankierenden Massnahmen zu verständigen. Diese waren 2004 im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit eingeführt worden, um etwas Druck von den Schweizer Löhnen und Sozialstandards zu nehmen.

Inzwischen ist bekannt, dass es keine Einigung zwischen den Sozialpartnern geben wird. Nun muss der Bundesrat entscheiden, wie es mit den flankierenden Massnahmen weitergeht. Er hatte schon 2014 Vorschläge dazu gemacht. In der Vernehmlassung steckte er dafür aber so viel Kritik aus der Wirtschaft ein, dass er vorerst auf weitere Schritte verzichtete.

Sorgen und Ängste

Aber schon damals war die Einigkeit nicht so gross, wie es den Anschein hatte. Arbeitgeber und Gewerbeverband gaben zwar den Ton an: Die flankierenden Massnahmen seien bereits mehrmals verschärft worden, schrieb der Arbeitgeberverband in seiner Stellungnahme. Er verwies auch auf das Ziel, Lohn- und Sozialdumping zu unterbinden. Sämtliche Statistiken belegten, dass dieses Ziel erreicht werde.

Die Westschweizer Arbeitgeberorganisation Centre Patronal teilt diese Auffassung nur teilweise. In einer Publikation vom letzten Dezember ging der Verband nicht auf Statistiken ein, sondern auf «die geäusserten Sorgen und Ängste des Volks». Die richtige Antwort darauf lautet nach Ansicht des Centre Patronal, die flankierenden Massnahmen zu verschärfen.

Die Organisation heisst die Vorschläge des Bundesrats zwar nur teilweise gut. Zur erleichterten Allgemeinverbindlichkeit von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) formulierte sie zusammen mit der Fédération des Entreprises Romandes Genève (FER) einen Kompromiss, der auch den Dachverbänden als goldene Brücke dienen sollte.

Ein GAV sollte auch dann allgemeinverbindlich erklärt werden können, wenn weniger als die Hälfte der Arbeitgeber daran beteiligt sind, sofern diese umso mehr Arbeitnehmende beschäftigen. Mit dieser Lösung hätte die Situation in Branchen mit vielen Klein- und Kleinstunternehmen entschärft werden können.

Übergangene Branchen

Eine solche ist die Sicherheitsbranche mit Giganten wie Securitas oder Protectas und vielen kleinen Playern, die dem GAV nicht unterstehen. In seiner Stellungnahme klagte der Branchenverband VSSU denn auch über jene Firmen, die sich mit dem Unterbieten von Mindestlöhnen einen Konkurrenzvorteil gegenüber GAV-Firmen verschafften.

Dem VSSU gingen die Vorschläge des Bundesrats daher nicht zu weit, sondern zu wenig weit. Er verlangte, den grossen Arbeitgebern mit vielen Angestellten bei der Allgemeinverbindlichkeit mehr Gewicht einzuräumen. Auch andere Branchen und Verbände haben sich für eine Verstärkung der flankierenden Massnahmen eingesetzt, darunter die Metallunion, das Carosserie- und das Isoliergewerbe.

Einige Verbände sollen sich in der laufenden Auseinandersetzung direkt an den Bundesrat gewandt haben, um sich Gehör zu verschaffen. Damit an die Öffentlichkeit gehen mag niemand. «Unsere Vorschläge wurden veröffentlicht, auch in Richtung Bundesrat», sagte Jean-Hugues Busslinger vom Centre Patronal dazu lediglich.

Konsolidierte Meinung

Der Arbeitgeberverband kennt die Kritik. Doch die grosse Mehrheit der Branchen teile die harte Haltung der Arbeitgeber, erklärte Sprecher Fredy Greuter der Nachrichtenagentur sda. Das gelte auch für die Romandie.

Es sei die Aufgabe eines Dachverbands, eine konsolidierte Meinung abzubilden. Es könne auch nicht sein, dass wegen Problemen in einzelnen Branchen oder Regionen der ganze Schweizer Arbeitsmarkt in Mitleidenschaft gezogen werde. Diese müssten gezielt angegangen werden.

Der Arbeitgeberverband will keine zusätzlichen flankierenden Massnahmen, sondern deren Vollzug bei wiederholtem Missbrauch optimieren. Das bedeutet laut Greuter zum Beispiel, dass nicht die Zahl der Kontrollen erhöht wird, sondern deren Qualität. Dazu müsse etwa die Ausbildung der Kontrolleure verbessert werden.

Der Ausgang des Streits, in dem sich vor allem Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften gegenüberstehen, ist offen. Der Bundesrat hat angekündigt, dem Parlament am 18. März seine Vorschläge zu unterbreiten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er eine Verstärkung der flankierenden Massnahmen über die Köpfe der Sozialpartner hinweg vorschlägt. Ob das im Parlament Bestand hat, steht auf einem anderen Blatt. (sda)

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