Der Vormarsch der Regimetruppen in Nordsyrien zwingt zehntausende Bewohner der Region um die Grossstadt Aleppo zur Flucht. Die türkische Regierung rechnet mit bis zu 70'000 syrischen Flüchtlingen, die im Nachbarland Zuflucht suchen werden.
«Bis zu 20'000 Menschen haben sich am Grenzübergang Bab al-Salama versammelt», sagte die Sprecherin des UNO-Koordinierungsbüros für humanitäre Fragen (OCHA), Linda Tom. «5000 bis 10'000 weitere Menschen sind zur Stadt Asas geflüchtet.»
Etwa 40'000 Flüchtlinge waren am Freitag nach Schätzungen von Menschenrechtlern auf dem Weg zur türkischen Grenze oder warteten dort auf Einlass. Die Türkei errichtete in der Nähe des Grenzübergangs Öncüpinar ein neues Zeltlager zur Registrierung der Neuankömmlinge, wie türkische Medien berichteten. Allerdings blieb der Grenzübergang von Öncüpinar am Freitagmorgen geschlossen, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete.
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte bereits am Donnerstag gesagt, die Kämpfe um Aleppo hätten rund 10'000 Menschen an die türkische Grenze getrieben. Die Türkei, die nach Regierungsangaben bisher rund 2.5 Millionen Syrer aufgenommen hat, werde auch die neuen Flüchtlinge ins Land lassen.
Mit Hilfe russischer Luftschläge vorgerückt
Am Freitag rückten syrische Regimetruppen in der Region Aleppo mit Hilfe russischer Luftschläge weiter vor: Zusammen mit verbündeten Kämpfern der Schiitenmiliz Hisbollah und iranischen Einheiten eroberten sie die Stadt Ratjan.
Die Truppen von Syriens Machthaber Baschar al-Assad hatten zuletzt die wichtigste Nachschubroute der Rebellen aus der Türkei gekappt und auch den Belagerungsring um zwei Dörfer der Regimeanhänger nach drei Jahren durchbrochen.
Während das Regime den Westen Aleppos kontrolliert, beherrschen Rebellengruppen den Osten und den Süden des Stadtgebietes. Mit der Offensive der Regierungseinheiten läuft das letzte grosse Stadtzentrum in Rebellenhand Gefahr, eingekesselt zu werden.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kritisierte die russischen Luftangriffe im Land: Diese hätten «vor allem Oppositionsgruppen in Syrien zum Ziel». Sie würden damit «die Bemühungen, eine politische Lösung in dem Konflikt zu finden, untergraben», sagte Stoltenberg beim Treffen der EU-Verteidigungsminister in Amsterdam.
Russland beteuerte, es bemühe sich weiterhin um eine friedliche und politische Lösung. Zugleich unterstütze man die legitime Führung Syriens in ihrem Kampf gegen den Terrorismus. (sda/dpa/afp/reu)