Als Reaktion auf seine Demontage in der Öffentlichkeit hat Österreichs Vizekanzler Reinhold Mitterlehner den Rücktritt von allen Ämtern angekündigt. «Ich finde, es ist genug», sagte der 61-Jährige am Mittwoch in Wien.
Sein Schritt sei Selbstschutz für ihn und seine Familie. Ein TV-Bericht im ORF über die auf ihn wartenden Totengräber habe den letzten Anstoss für seine Entscheidung gegeben.
Ausserdem fühlte Mitterlehner seine Position als Chef der konservativen ÖVP durch die Partei untergraben. «So macht das keinen Spass und keinen Sinn mehr», sagte er.
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bedauerte den Schritt. Er bot Aussenminister Sebastian Kurz (ÖVP), der als wahrscheinlicher Nachfolger von Mitterlehner gilt, die Fortsetzung der Koalition und eine «Reformpartnerschaft» an.
Dauerzwist
Der Rücktritt ist der vorläufige Höhepunkt eines Dauerzwistes in der rot-schwarzen Regierung. Während das Duo Kern und Mitterlehner nach eigenem Bekunden mit gegenseitigem Respekt und sachorientiert miteinander umging, gab es von Seiten anderer Regierungsmitglieder teils massive Kritik am Kanzler. So hatte ihm Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) jüngst «Versagen» vorgeworfen.
Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen plädierte für einen anderen Umgangston in der Politik. «Wir brauchen eine Kultur des Respekts», sagte der ehemalige Grünen-Chef.
Er forderte die Regierung auf, rasch wieder die Arbeit aufzunehmen. «Die Bürger erwarten sich mit Recht, dass zügig und zeitnah Klarheit geschaffen wird, wie es in unserem Land weitergeht», sagte Van der Bellen. Das Arbeitsprogramm der Koalition aus Sozialdemokraten und Konservativen stehe, dessen Umsetzung müsse Vorrang haben.
Kern hält am regulären Wahltermin fest
Kanzler Kern hielt am regulären Wahltermin im Herbst 2018 fest. Die kommenden Entscheidungen bei der konservativen ÖVP könnten eine Chance für das Land und die weitere Regierungsarbeit sein. «Ich biete der ÖVP und Sebastian Kurz eine Reformpartnerschaft an», sagte der Kanzler. Der Regierungschef nannte Kurz, obwohl von der ÖVP noch keine offizielle Stellungnahme zu einer möglichen Rochade gekommen war.
Kurz ist laut Umfragen der populärste Politiker im Land. Ob es zu vorgezogenen Wahl kommt, ist unklar. «Formal besteht keine Notwendigkeit für Neuwahlen. Politisch sind sie wahrscheinlich», meinte der Politologe Peter Filzmaier.
Mitterlehner übernahm im Sommer 2014 die ÖVP. Die schlechter werdenden Umfragewerte konnte er nicht stoppen. Die Konservativen kommen aktuell auf etwa 20 Prozent der Stimmen.
In den nächsten Tagen wird die ÖVP laut Mitterlehner seine Nachfolge regeln. Er empfahl den Konservativen, künftig eine andere Strategie zu verfolgen. Die ÖVP solle zwischen Partei- und Regierungsinteressen trennen. Der Parteivorsitz gilt als Schleudersitz. In den vergangenen zehn Jahren gab es vier ÖVP-Chefs. (sda/dpa)