7.6 Millionen Franzosen haben rechtsaussen gewählt: Marine Le Pen bekommt so viele Stimmen wie noch nie in der Geschichte der Front National. Ihr Stichwahlgegner Macron will der «Bedrohung durch die Nationalisten» entgegentreten.
Mit dem Duell zwischen der Rechtspopulistin Marine Le Pen und dem Politjungstar Emmanuel Macron wird Frankreichs Präsidentenwahl zu einer Abstimmung über Europa. Die beiden setzten sich bei der ersten Wahlrunde am Sonntag gegen neun weitere Kandidaten durch und stehen nun in der Stichwahl am 7. Mai.
Le Pens Front National (FN) setzt nun auf eine EU-kritische Stimmung im Land: «Es gab noch nie so viele Stimmen für Kandidaten, die der Europäischen Union sehr kritisch gegenüberstehen», sagte der stellvertretende Parteichef Florian Philippot am Montag im Sender Franceinfo.
Dazu zählte er neben Le Pen etwa auch den Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon. «Ich glaube, das wird in der zweiten Runde eine Rolle spielen», so Philippot.
Marcon vor Le Pen
Macron hatte nach fast vollzähliger Auszählung der Stimmen mit fast 24 Prozent die Nase vorn. Umfragen vom Wahlabend geben ihm einen klaren Vorsprung für die entscheidende zweite Runde in knapp zwei Wochen. Die EU-Gegnerin Le Pen erzielte 21.4 Prozent, wie das Innenministerium mitteilte. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 78 Prozent, leicht niedriger als vor fünf Jahren.
Die Stimmenanteile der beiden Nächstplatzierten lagen auch am Montagmorgen knapp unter 20 Prozent. Der Konservative François Fillon erhielt demnach gut 19.9 Prozent der Stimmen, der Linkspartei-Gründer Jean-Luc Mélenchon gut 19.6 Prozent.
Laut Innenministerium waren mehr als 46'891'000 Stimmen ausgezählt. Die Wahlbeteiligung lag bei gut 78 Prozent. Das amtliche Endergebnis wurde nicht mehr für Montag erwartet.
FN im Hoch
Die Chefin der rechtsextremen Front National erhielt so viele Stimmen wie noch nie in der Geschichte der Partei: Mehr als 7.6 Millionen Franzosen entschieden sich für die 48-Jährige. Der bisherige FN-Rekord lag bei 6.8 Millionen Stimmen bei den Regionalwahlen 2015.
Zum ersten Mal seit 15 Jahren steht der FN in der Stichwahl um den mächtigsten Job Frankreichs - 2002 war beim «Schock des 21. April» überraschend Le Pens Vater Jean-Marie Le Pen ins Finale gekommen, das er dann aber krachend verlor.
Führende Sozialisten und Konservative riefen zur Unterstützung Macrons auf, um Le Pen als Präsidentin zu verhindern. Erstmals seit Jahrzehnten ist kein Kandidat der beiden traditionellen Regierungsparteien in der Endrunde. Er wolle mit einem System brechen, «das unfähig ist, auf Probleme zu reagieren», sagte Macron.
Richtungsentscheid
Frankreich steht nun vor einer dramatischen Richtungsentscheidung für die Europäische Union. Denn Le Pen will raus aus dem Euro und die Bürger über die EU-Mitgliedschaft Frankreichs abstimmen lassen. Macron tritt hingegen für Europa ein und will die Eurozone stärken. Der 39-Jährige sagte, er wolle «der Präsident der Patrioten angesichts der Bedrohung durch die Nationalisten» sein.
Macron rief seine Anhänger dazu auf, ihm auch eine parlamentarische Mehrheit zu verschaffen. Frankreich wählt am 11. und 18. Juni eine neue Nationalversammlung. Die von Macron gegründete Bewegung «En Marche!» (Auf dem Weg) ist dort bislang nicht vertreten. Falls ein Präsident keine Abgeordneten-Mehrheit hinter sich hat, würde das seinen Gestaltungsspielraum erheblich einschränken.
FN-Chefin Le Pen schnitt wesentlich besser ab als bei ihrer ersten Präsidentschaftskandidatur vor fünf Jahren, als sie im ersten Wahlgang 17.9 Prozent der Stimmen geholt hatte. Sie sprach von einem «historischen Ergebnis» und fügte hinzu: «Es ist Zeit, das französische Volk von den arroganten Eliten zu befreien, die ihm sein Verhalten vorschreiben wollen.»
Wirtschaft erleichtert
Erleichterung, aber keine Jubelstimmung herrschte an den Finanzmärkten. Der Kurs des Euro gab am Montag wieder etwas von seinen starken Gewinnen ab. Zeitweise war Europas Gemeinschaftswährung auf den höchsten Stand seit November gestiegen.
Etwa 47 Millionen Franzosen waren zur Wahl des Nachfolgers von Präsident Hollande aufgerufen. Insgesamt wollten elf Kandidaten den Sozialisten beerben. Der Sozialist Hollande hatte wegen schlechter Umfragewerte nicht erneut kandidiert. Macron war unter Hollande Wirtschaftsminister gewesen; sein Parteibuch bei den Sozialisten hat er aber schon lange abgegeben.
Der Wahlkampf war geprägt von Skandalen und überraschenden Wendungen. Der Antiterrorkampf spielte insbesondere im Finale eine grosse Rolle. Frankreich wird seit Anfang 2015 von einer Serie islamistischer Anschläge erschüttert. Erst am Donnerstag hatte ein 39-Jähriger in Paris Polizisten angegriffen und einen von ihnen getötet. (sda/dpa)