lina selmani
Dieser Artikel befasst sich mit dem Mysterium Mutter. Und zwar in all seiner Komplexität und Tiefe, der es bedarf, um dieser speziellen Art Mensch gerecht zu werden.
***Die folgenden Situationen sind von der Autorin mit Absicht in sehr dramatischer Weise verfälscht und übertrieben dargestellt worden. Und du bist sowieso überhaupt nicht so, Mami! Das bezieht sich auf alle anderen Mamis dieser Welt, aber sicher nicht auf dich, gell.***
Mütter und Kommunikation
Deine Mutter versucht, dich anzurufen. Um dir zu sagen, dass du deiner Cousine zum Geburtstag gratulieren sollst. Wenn du das erste Mal nicht abnimmst, glaubt sie, du hättest es nicht gehört. Wenn du das zweite Mal nicht ran gehst, glaubt sie, du hättest kein Netz gehabt und ihr erfolgloser Anruf wird auf deinem Handy vermutlich gar nicht erst angezeigt. Auf diese Handys ist eh kein Verlass! Wenn du das dritte Mal nicht reagierst, denkt sie, dass mit grosser Wahrscheinlichkeit ihr Telefon kaputt ist. Das geht dann so lange, bis dein Sperrbildschirm so aussieht:
bild: watson
Und dann geht's los ...
Wenn du nach dem 17. Anruf noch immer nicht reagiert hast, bist du mit grosser Wahrscheinlichkeit tot. Oder du wurdest verschleppt. Vermutlich beides. In umgekehrter Reihenfolge. Deine Mutter hat dann den Panik-Modus erreicht und legt nach:
bild: watson
Ein Lebenszeichen von dir! Endlich! Das Kind ist doch nicht tot!
Du schreibst zehn Minuten nach der ersten Kontaktaufnahme zurück. Und sie so:
bild: watson
Mütter und Smileys
Kannst du dich noch daran erinnern, als irgendjemand deiner Mutter all die schönen, tollen, farbigen Emojis aufs Smartphone installiert hat? Und dazu auch noch WhatsApp? Ich weiss es noch ganz genau ...
bild: watson
Mein Gedanke in diesem Moment:
«Bruder, was hab ich dir getan?»
bild: watson
Mütter und Social Media
Mami ist jetzt auch auf Facebook. Und auf einmal hast du 34 neue Benachrichtigungen. Und es sind keine Einladungen zu Events ...
bild: watson
Ihr gefällt einfach alles, was du machst. ALLES. Auch auf Instagram. Und auf Twitter. Aber bei Twitter kommt sie nicht draus. Das Vögeli findet sie allerdings herzig.
Mütter und ihre Ängste (sie lauern überall auf dich – die Ängste, nicht die Mütter)
Es folgt eine Sammlung von verschiedenen Mütter-Ängsten:
Wenn es nach Mami geht, hast du immer zu wenig an. IMMER. Denk doch mal an deine Nieren. Die Nieren!
Wenn du dich zwei Tage lang nicht gemeldet hast, ist dir etwas passiert. Vermutlich bist du schon tot.
Du isst zu wenig. Auch wenn du 10 Kilo zugenommen hast, bist du zu dünn. Weil du zu wenig isst. Würdest du noch bei ihr wohnen, würde sie natürlich für dich kochen und du würdest nicht zu wenig essen. Aber du wolltest ja nicht mehr bei ihr sein! Das hast du jetzt davon. Du bist zu dünn! Für immer.
«Hast du Oma, Onkel Sowieso, Grossvater Olaf zum Geburtstag gratuliert???»
Auch wenn du 25 in einer 30er Zone fährst, bist du zu schnell.
Alles ist gefährlich. Auch Kopfball beim Fussball. Was sage ich! Vor allem Kopfball beim Fussball!
Es ist sowieso überall gefährlich. Du gehst sicher nicht nach Mexiko. Oder nach Indien. Und auch nicht in die Türkei. Geh ins Tessin. Da ist es schön. Und Mami könnte sogar mitkommen. Du besuchst sie sowieso viel zu wenig!
Wenn du keinen Hunger hast, bist du krank. Auch wenn du vorher schon einen Kebab verdrückt hast. Und sowieso bist du zu dünn. Wieso bist du nur so dünn???
Du rufst sie nie an. NIE!
Mütter und ihre Definitionen
Die Wörter «immer» und «nie» sind für Mütter sowieso die einzige Mengenangabe, die sie kennen. Zum Beispiel:
«IMMER lässt du das Gartentor offen!»
Auch wenn du etwas zum ersten Mal gemacht hast, machst du es IMMER. Wieso machst du das immer?
Und dieses Gerät hier: Was ist das?
bild: sony
FALSCH! Alles Falsch!
Wenn du an der PS4 zockst, dann spielst du Nintendo. Es ist alles Nintendo.
Mütter und ihre Fürsorge
Hast du auch so eine zu Hause?
Und wer hat sie dir geschenkt? Hm?
Mütter wollen aber nicht nur deine Wohnungseinrichtung mit hübschen Zimmerpflanzen, die eh verdursten oder verstauben, aufhübschen, sie sind auch sehr um die Aussenfassade deiner Behausung besorgt.
Geht es nach Müttern, würden alle Balkone dieser Welt so aussehen:
Bild: KEYSTONE/TI-PRESS
Zitat einer Betroffenen, die von ihrem Mami mit vielen Pflanzen beschenkt wurde:
«Ich muss immer neue Pflanzen kaufen, damit ich nicht wie ein Versager dastehe, wenn meine Mutter zu Besuch kommt und die alten schon wieder verdorrt sind.»
Was Mütter sonst noch für uns machen?
Wenn mich mein Mami besuchen kommt, guckt sie irgendwann in alle Schubladen in der Küche. Und dann fängt sie früher oder später an aufzuräumen. Auch wenn ich vorher extra aufgeräumt habe.
Wenn du krank bist, weil du natürlich mal wieder zu wenig anhattest, pflegen sie dich zwar sehr liebevoll wieder gesund, aber insgeheim nur deshalb, um dich nach deiner Genesung für deine Dummheit zur Schnecke zu machen.
Mütter fuchteln immer in deinen Haaren rum – und wollen deine Franseln hinter die Ohren streichen, weil ... keine Ahnung.
Wenn du dich laaange nicht mehr zu Hause gemeldet/blicken lassen hast und das Versäumnis nachholst, dann nutzen Mütter die Zeit am Telefon/beim Wiedersehen lieber dafür, um sich über deine Verschollenheit zu beschweren – statt sich deiner Anwesenheit zu erfreuen.
Sie flicken alle Löcher in Hosen und T-Shirts. Auch wenn es eine teure «destroyed» Designer-Jeans ist, die so aussehen muss. Erklär mal einer Mutter, warum diese Hose Löcher haben MUSS ... Wenn du Pech hast, hatte sie nur noch einen Mickey-Mouse-Blätz zum Flicken.
Mütter verteidigen dich immer gegen engstirnige Papis (aber nur, um dich später alleine zusammenzuscheissen.)
Mein Mami macht immer mein Lieblingsessen, wenn ich vorbeikomme. Aber so viel, dass ich davon noch mindestens einen Monat essen könnte. Und meine 17 Freunde auch. Und das muss ich dann auch immer alles mit nach Hause nehmen. In 37'000 Tupperware-Schälelis. Und wenn ich keinen Platz mehr habe, dann bringt sie die restlichen 36'998 Tupperware-Schäleli bei ihrem nächsten Besuch mit. Und vielleicht noch einen Spaghetti-Topf, weil der grad Aktion war.
«Mami, darf ich heut-» – «NEIN! » ... und dann überlegt sie es sich nochmals. Aber die erste Antwort ist aus Prinzip mal Nein, mit Option auf Ja.
Mütter und ihre Realität
Für Mami bist und bleibst du das beste Kind der Welt! Das musst du aber nicht wissen. Es ist vor allem wichtig, dass das alle Onkel und Tanten und entfernte Verwandte wissen. Damit jeder sieht, was für ein tolles Kind deine Mutter herangezogen hat!
Familien-Innenverhältnisse:
Beklagen sich über dich, deinen prestigelosen Job und Dinge, die du nie erreichen wolltest.
Familien-Aussenverhältnis:
Du bist das beste Kind der Welt und dein Taugenichts-Cousin sollte sich mal ein Beispiel an dir nehmen.
Und überhaupt: Du kannst alles! Vor allem technische Probleme lösen. Wenn du ihr bei etwas nicht helfen kannst, dann weiss sie ganz genau, dass du nur keine Lust dazu hast – es kann nicht sein, dass du es einfach nicht weisst.
Egal, ob Druckerproblem oder die TV-Box, du musst es reparieren. Am besten durchs Telefon durch. Achja: Und Mütter denken auch, die Welt fliegt in die Luft und alle Rehkitze sterben, wenn sie bei einem Popup-Fenster die falsche Wahl treffen: «Abbrechen» oder «OK» – WAS MUSS ICH TUN???
Du bist aber nicht nur das beste Kind der Welt, du bist selbstverständlich auch das hübscheste! Und das warst du schon immer. Deshalb versteht deine Mutter auch nicht, wieso es für dich peinlich ist, wenn sie jedem (wirklich jedem) Bilder von deinem früheren Ich zeigt. Was soll daran auch peinlich sein?
«Weisch no, Lina, da, wod am Bodä umegläge bisch und brüeled hesch. Und mir dich nid tröschtet, sondern Föteli gmacht hend! Da isch denn luschtig gsi!»
familienarchiv selmani
Mütter und ihre Elefantengehirne
Wenn du etwas nicht findest... Mami weiss wo es ist.
Aber:
Mamis verstecken deine Spielzeugpistolen und wissen danach nicht mehr wo.
Sie vergessen NIEEEE... mit 12 Jahren das Portemonnaie verloren. Heute: Aber nicht dass du mir das Portemonnaie wieder vergisst!
Mütter und die Emotionen
Und früher oder später fangen Mamis an zu weinen. Weil du so gross geworden bist oder so lange nicht mehr da warst oder nach deinem viel zu kurzen Besuch wieder nach Hause gehst. Obwohl dein richtiges Zuhause ja ganz sicher nicht in der «Stadt» ist, sondern da, wo du aufgewachsen bist: Bei ihr.
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