Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat nach einem Treffen mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Kritik an dessen Gesprächsverboten bekräftigt. «Wir sollten uns diese Freiheit auch weiter gegenseitig erlauben», sagte er am Montag.
Steinmeier hatte Netanjahu am Sonntag in Jerusalem zwei Mal gesprochen. Hintergrund der Debatte ist, dass der israelische Regierungschef vor zwei Wochen ein Treffen mit dem deutschen Aussenminister Sigmar Gabriel platzen liess, weil dieser bei seinem Besuch in Israel auch Aktivisten von Breaking the Silence - «das Schweigen brechen» - traf.
Die Gruppe befasst sich kritisch mit dem Verhalten israelischer Soldaten in den besetzten Gebieten - und ist der rechtsgerichteten Regierung Netanjahus schon lange ein Dorn im Auge.
Steinmeier selbst machte auf seiner Israel-Reise das Zugeständnis, Breaking the Silence nicht zu treffen. Zugleich übte er offene Kritik an der Gesprächsabsage seitens Israel. Ob er Netanjahu überzeugen konnte, blieb jedoch offen. «Welche Schlüsse daraus jetzt in Israel gezogen werden, das muss man in Israel entscheiden, das kann ich nicht tun», sagte Steinmeier.
Innenpolitische Querelen
Der israelische Ministerpräsident hatte am Sonntag unmittelbar vor seinem ersten Gespräch mit Steinmeier in einem kurzen Statement die Streitkräfte seines Landes demonstrativ gelobt.
Mit Blick auf die Kritik von Breaking the Silence hob er hervor, die «moralischen Standards» der israelischen Armee würden «von niemandem übertroffen».
Der frühere Botschafter Avi Primor nannte die israelische Innenpolitik und Spannungen in der Regierungskoalition als Grund für die Querelen. Es handle sich «nicht allzu sehr um ein Problem zwischen Deutschland und Israel», sagte er nach einem Mittagessen mit Steinmeier.
Diskussion mit Schriftstellern
In der Nähe von Tel Aviv kam Steinmeier am Montag unter anderen mit den regierungskritischen Schriftstellern Amos Oz und David Grossman sowie anderen Vertretern der Zivilgesellschaft zusammen.
Die Diskussion sei «spannend und kontrovers» und von der Sorge um die Zukunft des Landes geprägt gewesen, sagte er danach. Steinmeier nannte seine Gesprächspartner «Stimmen, von denen ich finde, dass sie Gehör verdienen».
Thema war auch die israelische Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten, die Deutschland und andere Staaten als «völkerrechtswidrig» einstufen.
Jüdisch-arabisches Bildungsprojekt
Zuvor besuchte der Bundespräsident ein jüdisch-arabisches Bildungsprojekt. Die Begegnungsstätte Givat Haviva zwischen Tel Aviv und Haifa zählt zu den ältesten und grössten derartigen Institutionen.
Dort verbringen beispielsweise jüdische und arabische Jugendliche gemeinsame Sommercamps. Ausserdem laufen Austauschprogramme zwischen arabischen und jüdischen Lehrern, die die strenge Trennung in den Schulen aufbrechen sollen.
Steinmeier lobte, das Projekt bereite den Weg zum Frieden. «Während die Politiker bei der Zwei-Staaten-Lösung versagen, halten Sie das Fenster zu einer Lösung offen», sagte er bei seinem Besuch und versprach, in Berlin für mehr finanzielle Hilfe für das Zentrum zu werben.
Treffen mit Mahmut Abbas
Zum Abschluss seiner Reise fährt Steinmeier am Dienstag in die palästinensischen Gebiete. Er trifft dort mit dem Präsidenten der Autonomiebehörde, Mahmut Abbas, zusammen.
Auch hier werden der gestoppte Friedensprozess im Nahen Osten und die Zukunft der Zwei-Staaten-Lösung im Mittelpunkt stehen. Am Grab des früheren Palästinenserführers Jassir Arafat legt Steinmeier einen Kranz nieder. (sda/afp/dpa)