Brasiliens früherer Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat das Amt des Stabschefs in der Regierung seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff übernommen. An der Zeremonie im Präsidentenpalast nahmen Anhänger von beiden teil, die der Opposition einen Putschversuch vorwarfen.
«Es wird keinen Staatsstreich geben», rief die Menge, die an der Amtseinführung Lulas am Donnerstag in Brasília teilnahm. «Die Schreie der Putschisten werden uns nicht auf die Knie zwingen!», sagte Rousseff.
Lula wird durch sein neues Regierungsamt vor Strafverfolgung im Zuge von Korruptionsermittlungen geschützt. Sein neues Amt liegt zwischen den Funktionen eines Stabschefs und eines Ministerpräsidenten.
Lula will vor allem mit neuen Impulsen die ökonomische Krise bekämpfen. Die Wirtschaftsleistung Brasiliens war 2015 um 3.8 Prozent eingebrochen. Dem fünftgrössten Land der Welt droht die schwerste Rezession seit 1930.
Erst am Sonntag waren nach Polizeiangaben landesweit bis zu 3.6 Millionen Menschen auf die Strassen gegangen, um die Amtsenthebung der bis Ende 2018 gewählten Rousseff zu fordern. Auch am Mittwochabend protestierten Menschen in Brasília.
Zum Schutz vor Strafverfolgung?
Die Menschen versammelten sich spontan vor dem Präsidentensitz in der Hauptstadt und auch in São Paulo, nachdem Bundesrichter Sérgio Moro ein Band veröffentlicht hatte, in dem Rousseff ihrem Vorgänger mitteilt, sie habe seine Ernennung zum Stabschef mit besonderen Vollmachten fertig, über die er «wenn nötig verfügen könne».
Damit sahen die Demonstranten ihre Vermutung bestätigt, dass Lula das neue Amt nur erhalten hat, um ihn vor Strafverfolgung im Zuge der bereits gegen ihn eingeleiteten Korruptionsermittlungen zu schützen.
Diese Ermittlungen laufen unter anderem wegen Ungereimtheiten bei einem Luxusapartment an der Atlantikküste; die Staatsanwaltschaft São Paulo hat deshalb sogar Untersuchungshaft beantragt.
Höhere Hürden für einen Prozess
Mit dem Aufrücken in die Regierung werden die Hürden für einen Prozess deutlich höher, weil nur der Oberste Justizgerichtshof über das Vorgehen gegen Lula urteilen kann. Die Arbeiterpartei steht im Fokus des milliardenschweren Skandals um Schmiergeldzahlungen bei Auftragsvergaben des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras - Rousseff wird vorgeworfen, Ermittlungen zu behindern, was sie bestreitet.
Rousseff dürfte auf Lulas immer noch grosse Beliebtheit bei ärmeren Schichten setzen, für die er in seiner Amtszeit (2003 bis Anfang 2011) umfassende Sozialprogramme initiierte. Damit ging die Armut so spürbar zurück.
Zudem ist Lula weiterhin bestens vernetzt, vor allem in der von ihm gegründeten Arbeiterpartei - die nicht mehr uneingeschränkt hinter Rousseff steht. Sie selbst war unter Lula Ministerin und Kabinettschefin.
Rousseff im Volk unbeliebt
Volkes Zustimmung zu Rousseff liegt nur noch bei zehn Prozent. Die Opposition hat bereits massiven Widerstand gegen die Rochade angekündigt. Rousseff steht mit dem Rücken zur Wand, sie kann im Abgeordnetenhaus kaum noch notwendige Reformen durchsetzen, zudem wurden erste Schritte für eine Amtsenthebung eingeleitet.
Dabei geht es um mögliche Unregelmässigkeiten der Finanzierung der Kampagne für ihre Wiederwahl 2014. Der wichtigste Koalitionspartner, der Partido do Movimento Democrático Brasileiro (PMDB), will angesichts der Krise bis spätestens April entscheiden, ob er die Regierung verlassen wird. (sda/afp/dpa)