«Wir werden erpresst» – Warenzöllner droht Lohnkürzung, wenn sie Schulung nicht machen
Kurz vor Weihnachten ist die Aufregung unter Mitarbeitenden des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) gross. Eine betroffene Person sagt zu CH Media: «Wir Warenzöllner werden erpresst.»
Es geht um die umstrittene zollinterne Schulung Allegra. Mit ihr sollen bisherige Warenzöllner (also Zollfachleute) und bisherige Grenzwächter für das neue Einheitsberufsbild «Fachspezialist/in Zoll und Grenzsicherheit» fit gemacht werden, indem sie Elemente aus dem jeweils anderen Fachgebiet erlernen.
Zwar ist Allegra für Warenzöllner ausdrücklich freiwillig. «Aber nun drohen die Vorgesetzten mit einer Rückstufung um drei Lohnklassen in Klasse 14, wenn man die Ausbildung nicht machen will», sagt die Person. «Wir haben hier alle das Messer am Hals.» Auch andere Insider bestätigen, dass von einer Rückstufung um rund drei Lohnlassen die Rede ist. Die gut ausgebildeten Warenzöllner fühlen sich entsprechend «deklassiert und demotiviert», wie sich einer ausdrückt. Ihr Wissen werde faktisch wertlos: Andere, weit weniger gut ausgebildete Personen, seien ihnen künftig bezüglich Gehalt gleichgestellt.
Laut Lohntabelle des Bundes beträgt der derzeitige Maximallohn in Lohnklasse 17 gut 115’000 Franken. In Lohnklasse 14 sind es gut 102’000 Franken. Die Rückstufung hätte somit eine Lohnkürzung von gut 1000 Franken pro Monat zur Folge.
Details der Pläne skizzierte Zollchef Pascal Lüthi Mitte Dezember 2025 in einem internen Dokument «Zukünftige Profile im operativen Bereich». Für die Mitarbeitenden, die Allegra nicht absolvieren wollten, werde ein neues Profil entwickelt, so der Direktor: «Sachbearbeiter/-in Zoll», und zwar ab Anfang 2028. Da dieses Profil «ausschliesslich Aufgaben im Warenbereich und nicht im gesamten Aufgabenspektrum der Fachspezialisten Zoll und Grenzsicherheit umfasst, wird die Lohnklasse mit Sicherheit unterhalb der LK 17 liegen», so Lüthi.
Es droht Rückstufung um drei Lohnklassen
Die Stimmung bei den Warenzöllnern ist auf einem Tiefpunkt. Die Zoll-Gewerkschaft Garanto, die seit Kurzem von SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor präsidiert wird, zitierte in ihrem November-Magazin eine Zollfachfrau aus der Romandie mit den Worten: «Ich habe den Eindruck, dass wir Zollfachleute stören. Als ob unsere Fachkompetenz im Warenverkehr ein Problem wäre.»
Garanto führte im Beitrag auch aus, warum die Weiterbildung Allegra für viele Zollfachleute problematisch ist: Sie zwingt sie tendenziell, «in Uniform, bewaffnet und im Schichtbetrieb in mobilen Teams zu arbeiten». Gemäss dem neuen, auch bei Grenzwächtern höchst umstrittenen Einheitsberufsbild. Zollfachleute, darunter viele Frauen, sind Angestellte mit höherer Bildung und enorm viel Fachwissen, das sie über Jahre hinweg erworben und erweitert haben. Mit Uniform, Waffen und Personenkontrollen haben sie nichts am Hut. Faktisch werden sie nun jedoch dazu gezwungen – oder sie verzichten auf einen erheblichen Teil ihres Gehalts. Und werden damit «zu Angestellten zweiter Klasse», wie sich eine Person gegenüber CH Media ausdrückt.
Eine andere Person sagt: «Am Schluss kommt es noch so, dass wir Älteren uns ab Januar 2028 einen neuen Job suchen müssen.» Es sehe so aus, als gelte «alles Niedergeschriebene und alle einstigen Abmachungen» zwischen Zoll-Geschäftsleitung und Personalvertretern heute «nichts mehr».
Getrieben durch die politische Stimmung, gewichtet das BAZG seine Aufgaben zunehmend um. Personenkontrollen gewinnen an Bedeutung, es wird mehr Personal dafür eingesetzt. Ein Zöllner warnt: «Die ganze Welt baut Zölle und Zollkontrollen aus, nur die Schweiz baut ab.»
Streit um bisherigen Mehrwert der Digitalisierung
In seiner Botschaft ans Personal vom 9. Dezember 2025 schrieb Zollchef Pascal Lüthi über die neuen Job-Profile: «Basis dafür sind die veränderten betrieblichen Bedürfnisse aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung im Zollwesen. Was wir derzeit erleben, sind erst die ersten Schritte in diese Richtung.» Der heute oft noch notwendige Schaltergang werde nach und nach wegfallen. Bewilligungen würden automatisch geprüft, auch Ursprungsnachweise würden «schon bald digital ausgestellt und beglaubigt». Wer bereit sei, sich weiterzuentwickeln und weiterzubilden und die Veränderungen mitzutragen, werde auch künftig eine Aufgabe beim BAZG haben.
Die Realität sieht für viele jedoch anders aus. Sowohl Warenzöllner wie Wirtschaftsvertreter sagen: Den angeblichen Digitalisierungsmehrwert gebe es in den zentralen Prozessen bisher schlicht nicht, auch wenn das Digitalisierungsprogramm DaziT als solcher verkauft werde.
Warenzöllner, eine aussterbende Spezies?
«Wer gehen kann, der geht», sagt ein Warenzöllner zu CH Media. «Die meisten von uns, die noch hier sind, sind unfreiwillig hier, weil sie entweder noch keine andere Stelle gefunden haben oder zu jung sind, um in Frühpension zu gehen.» Eine andere Person sagt: «Boomer gehen in Frühpension, Jüngere in die Privatwirtschaft oder in andere Stellen beim Bund.»
Diesen Trend bestätigen Zahlen, die der Zoll auf Anfrage von CH Media zusammengestellt hat.
Demnach sind im Direktionsbereich Operationen des BAZG derzeit 3371 Personen tätig. Diese Zahl setzt sich zusammen aus:
- 2150 Grenzwächterinnen und Grenzwächtern (GWK, inklusive jener 450 Personen, die die neue Einheitsausbildung absolviert haben)
- 839 Personen bisheriges zolltechnisches Personal (Warenzöllner)
- 382 Personen übriges Zivilpersonal
Ab in die Europäische Zollunion?
Damit hat sich die Zahl der Zollfachleute etwa halbiert: Denn einst, vor der seit einigen Jahren laufenden Transformation beim Zoll, gab es jeweils rund 2000 Zollfachleute sowie Grenzwächterinnen und Grenzwächter. Von einem «dramatischen Verlust an Zollfachwissen» spricht ein Ex-Zöllner. Er fragt: «Sind wir auf dem Weg in die EU-Zollunion und dabei, die Warengrenze abzuschaffen?»
Werden die Warenzöllner bald ganz verschwinden? Zollchef Lüthi schrieb in seiner Botschaft ans Personal: Mit den neuen Job-Profilen bereite sich der Zoll «heute auf die Zukunft vor». Wie diese genau aussehe, wisse aber niemand. (aargauerzeitung.ch)
