Junge alleinerziehende Mütter leben überwiegend von Sozialhilfe

Junge alleinerziehende Mütter leben überwiegend von Sozialhilfe

07.11.2017, 13:00

Junge alleinerziehende Mütter, die in Schweizer Städten leben, sind in 80 Prozent der Fälle auf Sozialhilfe angewiesen. Dies zeigt ein Bericht der Städteinitiative Sozialpolitik. Gefährdet sind auch geschiedene und verwitwete Menschen, die alleine leben.

Die Zahl der Sozialhilfefälle sei im letzten Jahr in praktisch allen 14 untersuchten Städten gestiegen, erklärte Nicolas Galladé, Präsident der Städteinitiative Sozialhilfe und Winterthurer Stadtrat, am Dienstag vor den Medien in Bern. Eine deutliche Zunahme verzeichneten besonders mittelgrosse Städte und Agglomerationen.

Grund für den überdurchschnittlichen Anstieg von 5.2 Prozent sind neben der wachsenden Bevölkerung auch die Zunahme der Arbeitslosigkeit und der Zahl der Ausgesteuerten. Besonders für gering qualifizierte Menschen sei es schwierig, eine existenzsichernde Anstellung zu finden, erklärte Studienautorin Michelle Beyeler von der Berner Fachhochschule.

Kinder als Armutsrisiko

Dabei werden zunehmend Personen aus aussereuropäischen Ländern unterstützt. Zwar lässt sich laut Beyeler nicht zweifelsfrei feststellen, ob diese aus dem Asylbereich kommen. Es gebe aber Hinweise darauf, dass es sich um anerkannte Flüchtlinge und Aufgenommene handle. «Besonders kleine Städte spüren das.»

Allerdings bilden Schweizerinnen und Schweizer in den meisten der untersuchten Städten weiterhin die Mehrheit der Sozialhilfebezüger. Die Ausnahme sind hier Basel, Biel, Lausanne, Schlieren ZH und Schaffhausen, wo der Anteil ausländischer Personen bei über 50 Prozent liegt.

In den Städten sehr hoch ist das Sozialhilferisiko für junge, alleinerziehende Frauen. Dies gelte auch für Städte, in denen die Sozialhilfequote ansonsten tief sei, sagte der Luzerner Stadtrat Martin Merki. Vier von fünf Mütter unter 25 Jahren lebten von Sozialhilfe. Mit steigendem Alter nehme das Risiko ab. Kinder zu haben, sei generell ein Armutsrisiko, hält der Bericht fest.

Dies gilt auch für geschiedene, getrennt lebende oder verwitwete Menschen, die alleine leben. Am höchsten ist das Sozialhilferisiko für alleinlebende geschiedene Männer: Rund 20 Prozent dieser Haushalte beziehen Sozialhilfe.

Sorgenkinder mittelgrosse Städte

In den grossen Städten bleibt die Sozialhilfequote relativ stabil, wie es im Bericht heisst. Bern konnte die Quote im letzten Jahr um 0.1 auf 5.1 Prozent senken. In Lausanne verharrte sie bei 8.8 Prozent und in Zürich resultierte ein leichtes Plus von 0.1 auf 4.6 Prozent.

Eine Ausnahme bildet die Stadt Basel, deren Quote von 6.3 auf 6.7 Prozent zunahm. Studienautorin Beyeler begründet dies mit dem starken Franken, der in der Grenzstadt spürbar sei. Vor allem der Detailhandel und die Gastronomie seien unter Druck.

Sorgenkinder der Städteinitiative Sozialhilfe bleiben die mittelgrossen Städte. Dort stieg die Quote im letzten Jahr fast überall zwischen 0.1 bis 0.3 Prozent weiter an, nachdem Städte wie Chur, Luzern, Schlieren und Winterthur ZH bereits in den letzten Jahren eine Zunahme verzeichneten.

Die höchste Quote der 14 Städte weist weiterhin Biel mit 11.8 Prozent (Vorjahr 11.6) auf, gefolgt von Lausanne und Basel. Am tiefsten ist die Sozialhilfequote in Uster ZH (1.6 Prozent) und in Zug (1.7 Prozent.)

Im Schnitt lange Bezugsdauer

Die Situation wird dadurch erschwert, dass die durchschnittliche Bezugsdauer der Sozialhilfe in den untersuchten Städten 42 Monate beträgt. Je länger aber jemand Sozialhilfe bezieht, desto schwieriger wird es, aus diesem System wieder herauszufinden.

Entscheidend sei eine frühe Intervention, sagte Galladé. Dies würden auch die Zahlen zeigen. In rund einem Viertel der Fälle werde die Sozialhilfe weniger als ein Jahr bezogen. Aus Sicht der Städteinitiative Sozialhilfe lohnt es sich deshalb, Neubezüger intensiv zu beraten und in die Bildung und Weiterbildung zu investieren.

Pionierarbeit leistet in dieser Hinsicht die Stadt Lausanne, die ihre Sozialhilfequote seit 2012 kontinuierlich senken konnte. Als erfolgreich hätten sich etwa Ergänzungsleistungen für Familien, Überbrückungsrenten und Bildungsmassnahmen für junge Erwachsene ohne Ausbildung erwiesen, sagte der Lausanner Stadtrat Oscar Tosato. (sda)

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