Menschenrechtsgericht stärkt Privatsphäre am Arbeitsplatz

Menschenrechtsgericht stärkt Privatsphäre am Arbeitsplatz

05.09.2017, 14:00

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Rechte von Arbeitnehmern gestärkt: Das Gericht erklärte eine Entlassung wegen privater Internetnutzung am Arbeitsplatz am Dienstag für nicht rechtens.

Der Arbeitgeber verstosse mit der Überwachung der elektronischen Kommunikation des Angestellten gegen das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre, hiess es im Urteil vom Dienstag in Strassburg.

Der Kläger, ein rumänischer Ingenieur, war im August 2007 entlassen worden, weil er seine berufliche E-Mail-Adresse auch privat genutzt hatte. In Rumänien hatte der 38-Jährige vergeblich gegen seine Entlassung geklagt: Die rumänische Justiz stellte fest, das Unternehmen habe im Rahmen des geltenden Arbeitsrechts gehandelt, und der Ingenieur sei über die Regeln informiert gewesen.

Dieser Auffassung hatte sich eine kleine Kammer des Strassburger Gerichts im Januar 2016 weitgehend angeschlossen und die Klage abgewiesen. Der Rumäne legte dagegen Berufung ein. Die Klage wurde daraufhin von den 17 Richtern der Grossen Kammer des EGMR überprüft.

Diese rügte, die rumänische Justiz habe nicht hinreichend geprüft, ob der Ingenieur über die Kontrolle seiner E-Mail-Korrespondenz informiert wurde. Es sei auch nicht geprüft worden, ob der Arbeitnehmer über das Ausmass dieser Überwachung - und damit das «Eindringen in sein Privatleben und seine Korrespondenz» - unterrichtet war.

Recht auf Privatleben am Arbeitsplatz

Ausserdem sei die rumänische Justiz nicht der Frage nachgegangen, inwieweit eine so ausführliche Überwachung gerechtfertigt war. Sie habe somit nicht sorgfältig zwischen den Interessen des Unternehmens und dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Privatsphäre abgewogen.

Ein Arbeitgeber habe nicht das Recht, das Privat- und Sozialleben seiner Mitarbeiter am Arbeitsplatz auf null zu reduzieren, erklärte das Strassburger Gericht am Dienstag. Das Recht auf Privatleben und die Vertraulichkeit der Korrespondenz dürfe zwar «im Rahmen der Notwendigkeit eingeschränkt», aber nicht völlig aufgehoben werden.

Die Entscheidung der Grossen Kammer des EGMR ist rechtskräftig und könnte die Rechtsprechung in den 47 Mitgliedsländern des Europarats - darunter auch die Schweiz - massgeblich beeinflussen. (sda/afp)

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