Im Februar 2018 publizierte die satirische Webseite ClickHole eine Story mit dem Titel: «Herzzerreissend: Die schlimmste Person, die du kennst, hat soeben etwas Zutreffendes gesagt.» Dieser Titel ist mittlerweile zu einem Meme im Internet geworden. Derzeit wird davon wieder fleissig Gebrauch gemacht, denn selbst Elon Musk hat für einmal recht.
Donald Trumps «Big and Beautiful Bill» (BBB) stellt nicht nur Robin Hood auf skandalöse Art und Weise auf den Kopf, sie versetzt auch den Bemühungen, die Welt vom CO₂-Ausstoss zu befreien, einen schweren Schlag. Die Subventionen für Solar- und Windenergie werden gestrichen, dafür erhalten Kohle und Öl wieder vermehrt staatliche Unterstützung. «Das ist vollkommen verrückt und destruktiv», wettert deshalb Musk. «(BBB) verteilt Almosen an die Industrien der Vergangenheit und beschädigt die Zukunftsindustrien.»
Während die Umverteilung von Arm und Reich einer zynischen Logik des Neoliberalismus und dem Sadismus der Trump-Regierung entspricht, lässt einen der «Drill, baby, drill»-Enthusiasmus zunächst ratlos. Er macht auf den ersten Blick schlichtweg keinen Sinn, und zwar in dreifacher Hinsicht: Weltweit mehren sich die extremen Wetterereignisse, wirtschaftlich werden Solar- und Windenergie immer attraktiver und technisch sind Elektroautos den Benzinern weit überlegen. Und mit der jüngsten Flutkatastrophe in Texas hat sich gezeigt, wie gefährlich es ist, ausgerechnet bei den Meteorologen zu sparen.
Weshalb also die Hetze der Rechten gegen die Grünen? Schliesslich kann man die Umwelt auch mit der Marktwirtschaft schützen und selbst Nationalisten wissen eine intakte Umwelt zu schätzen.
Die Verdammung der Umweltschützer geht auf den Kollaps der Sowjetunion zurück. Wie der amerikanische Geschichtsprofessor Quinn Slobodian in einem Beitrag in der «Republik» feststellt, war das Ende des Kommunismus kein Grund zu triumphieren, sondern Anlass zu einer neuen Sorge um die angeblich neuen Feinde der Freiheit. Typisches Beispiel dafür ist Václav Klaus, der ehemalige Präsident Tschechiens. In den 90er-Jahren avancierte dieser zum Liebling der Neoliberalen und wurde Mitglied der Mont Pèlerin Society, benannt nach einem in der Nähe von Vevey gelegenen Berg und gegründet von Alfred Hayek, dem Übervater der neuen konservativen Gesellschaft zur Verbreitung ultraliberalen Gedankenguts.
2008 veröffentlichte Klaus ein Buch mit dem Titel «Blauer Planet in grünen Fesseln». Der Frontalangriff auf die Klimaschützer wurde zu einem Manifest der Klimaleugner.
In seinem Buch «Hayek’s Bastards» zitiert Slobodian aus einem Artikel des «Wall Street Journal» folgende Passage: «Es ist passend, dass ein Treffen der Mont Pèlerin Society, die führende Gruppe der Vertreter von Gelehrten zur Unterstützung des freien Marktes, zusammenfällt mit dem Kollaps der Sowjetunion. Der Kommunismus verabschiedet sich aus der Geschichte, aber die grösste Gefahr wird nun möglicherweise von der Umweltbewegung kommen.»
An dieser Einschätzung hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil: Die Angst vor den Umweltaktivisten hat mittlerweile hysterische Züge angenommen. Das zeigt ein Interview mit Peter Thiel in der «New York Times». Der Milliardär und Venturekapitalist geht so weit, dass er Greta Thunberg als «Antichristin» bezeichnet, als Gegenspielerin zu Jesus Christus. Wie kommt der zum Katholizismus konvertierte Vordenker der Rechten in den USA zu dieser Einschätzung?
Thiels These lässt sich wie folgt zusammenfassen: Zwischen 1870 und 1970 hat der Westen einen rasanten Aufschwung erlebt. Zentrale Erfindungen wie Eisenbahn, Elektrizität, sanitäre Einrichtungen in Häusern und Städten, Radio, TV und Flugzeuge haben das Leben der Menschen grundlegend verändert. Seither ist jedoch kaum mehr Wesentliches dazugekommen. Wäre ein Mensch aus der Mitte des 19. Jahrhunderts in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg versetzt worden, hätte er sich nicht zurechtgefunden. Ein Mensch, der Mitte des letzten Jahrhunderts auf die Welt kam, hat derweil heute kaum Probleme.
Diese These wird von verschiedenen Ökonomen und Historikern geteilt, beispielsweise von Robert Gordon, der darüber 2016 einen Besteller verfasst hat. Thiel sieht darin das Problem einer Stagnation, das selbst das Überleben der Menschheit bedroht. Für ihn führt wirtschaftliche Stagnation zu einer Ausdünnung des Mittelstandes und damit zu einer generellen Dekadenz der Gesellschaft.
Verantwortlich für diese Verelendungsspirale sind die Umweltaktivisten, die permanent vor einer eingebildeten Apokalypse warnen. Zusammen mit einem übertriebenen Sicherheitsbedürfnis, das jegliches Risiko vermeidet, führt dies in eine totalitäre Diktatur. Deshalb entgegnet er auf die Frage, was denn so schlimm sei, wenn man beispielsweise in einem skandinavischen Dorf wohne, das dem Wachstumswahn abschwört: «Es wäre nicht gerade Nordkorea, aber extrem bedrückend.»
Thiel kann der sozialen Marktwirtschaft, der im Westen seit dem Zweiten Weltkrieg dominierenden Gesellschaftsform, nichts abgewinnen. Er hat sich daher schon 2016 entschlossen, Trump zu unterstützen. «Ich hatte keine grossen Erwartungen in positiver Hinsicht», erklärt er dazu. «Aber ich dachte mir: Zum ersten Mal seit 100 Jahren haben wir einen Republikaner, der keinen süsslichen Sirup im Stil von Bush verbreitet.»
Auch in den Wissenschaftsbetrieb hat Thiel jegliches Vertrauen verloren. Als Beweis führt er an, dass bezüglich Alzheimer seit Jahrzehnten keinerlei Fortschritte erzielt worden seien, und dass immer wieder der Kampf gegen den Krebs lauthals angekündigt, jedoch niemals erfolgreich beendet wurde. Universitäten wie Harvard seien vor allem mit sich selbst beschäftigt, so Thiel.
Selbst die künstliche Intelligenz ist kein Heilmittel gegen Thiels Pessimismus: «Sie ist besser als die Alternative, und eine Alternative gibt es nicht», seufzt er. Wie Elon Musk sieht er deshalb in der Eroberung des Mars einen möglichen Ausweg aus der lähmenden Stagnation.
Warum aber der Hass auf Greta? Wird da nicht mit einer Kanone auf einen Spatz geschossen? Nein, entgegnet Thiel, und begründet dies wie folgt: Wir würden auf eine totalitäre «One World or None»-Regierung zusteuern. Diese Regierung würde von einer Öko-Elite dominiert werden.
Die Erde werde daher nicht von einem durchgeknallten Wissenschaftler wie Dr. Strangelove aus Stanley Kubricks legendärem Film «Wie ich die Bombe lieben lernte» zerstört. «Die Art und Weise, wie der Antichrist die Welt beherrschen wird, besteht darin, dass er permanent den Weltuntergang (Armageddon) bemüht. (…) In unserer Welt ist das jemand wie Greta Thunberg», so Thiel.
Auf die Gegenfrage des Interviewers Ross Douthat – ein sehr konservativer Kolumnist –, ob er damit den schwedischen Teenager nicht leicht überschätze, antwortet Thiel: «(Die Europäer) glauben an dieses grüne Ding, und zwar mehr noch als an die Gefahr einer islamischen Scharia oder eines chinesischen Kommunismus.»
Gemäss Thiel steuern wir so auf eine Welt zu, in der die Masse der Menschen dank Robotern keine Arbeit mehr leisten muss. Sie verbringen ihre Zeit vor dem Flachbildschirm, wo sie von künstlicher Intelligenz direkt auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Serien verfolgen – wenn sie nicht von den Greta Thunbergs dieser Welt belehrt werden.
Der Historiker Slobodian zeigt eindrücklich auf, dass Neoliberalismus und Konservatismus einander keineswegs ausschliessen, wie dies immer wieder postuliert wird. Populismus und Nationalismus sind keine Gegenspieler des Neoliberalismus, sondern dessen Zwillingsbrüder. Slobodian spricht vielmehr von einem «Fusionismus» und versteht darunter die Verschmelzung von Marktliberalismus und kulturellem Konservatismus.
Bei Peter Thiel verschmelzen Versatzstücke aus libertärer Ökonomie, fundamentalem Katholizismus und künstlicher Intelligenz. In diesem Gebräu wird die Demokratie zu einem Vehikel, das die westlichen Gesellschaften immer weiter in die Dekadenz und die Auflösung treibt. In dieser Sichtweise wird die Freiheit nicht von blutrünstigen Imperialisten wie Wladimir Putin bedroht, sondern von einem leicht autistischen Teenager wie Greta Thunberg.
Aufklären und die Konfrontation nicht scheuen.
Kurz: Man sollte solche Typen nicht vorschnell zu Genies erklären bloss weil sie steinreich sind.