Grenzwächter nach Totgeburt eines syrischen Babys verurteilt

Grenzwächter nach Totgeburt eines syrischen Babys verurteilt

07.12.2017, 10:44

Ein Schweizer Grenzwächter ist am Donnerstag vom Militärgericht in Bern schuldig gesprochen worden. Der Mann hatte einer schwangeren syrischen Flüchtlingsfrau 2014 medizinische Hilfe verweigert. Sie erlitt darauf eine Totgeburt.

Das Gericht verurteilte den Mann zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten und zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 150 Franken. Schuldig gesprochen wurde er wegen fahrlässiger Körperverletzung, versuchten Schwangerschaftsabbruchs und mehrfachen Nichtbefolgens von Dienstvorschriften.

Die syrische Flüchtlingsfamilie war Anfang Juli 2014 mit einer Gruppe weiterer Flüchtlinge unterwegs von Italien nach Frankreich. An der schweizerisch-französischen Grenze wurde die Gruppe gestoppt.

Die Flüchtlinge wurden in Busse verladen und sollten via Brig nach Italien zurück geschafft werden. Unterwegs klagte die im siebten Monat schwangere Frau über Schmerzen im Unterleib, bald darauf setzten Blutungen ein.

In Brig musste die Flüchtlingsgruppe auf einen Zug warten, der sie in die italienische Grenzstadt Domodossola zurückbringen sollte. Die Flüchtlinge wurden so lange in Räumen der Grenzwache am Bahnhof Brig untergebracht.

Dort ging es der Schwangeren zunehmend schlechter. Ihr Mann und ihre Schwester machten anwesende Grenzwächter auf die Frau und ihr Leiden aufmerksam, drangen aber mit ihren Bitten um medizinische Hilfe nicht durch.

Als der Zug schliesslich kam, mussten die Angehörigen die Schwangere zum Abteil tragen und sie notdürftig auf Koffern betten. In Domodossola angekommen, brach die Frau zusammen. Sie erhielt sofort medizinische Hilfe. Im Spital kam ihr Kind tot zur Welt.

«Fehlende Menschlichkeit»

Vor dem Militärgericht musste sich der Einsatzleiter der Grenzwächtertruppe verantworten. Der Ankläger warf dem Mann vor, er und seine Unterstellten hätten es an «jeder Menschlichkeit» fehlen lassen. Der Flüchtlingstransport an dem schönen Freitagabend sei dem Angeklagten ungelegen gekommen, weil er lieber Feierabend gemacht habe.

Die Flüchtlinge habe er deshalb einfach nach Italien weitergereicht, obwohl jedem mit gesundem Menschenverstand klar sein, dass eine Schwangere in diesem Zustand ins Spital gehöre. Die Anklage forderte, je nach Anklagevariante, eine Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren wegen Tötung.

Verteidigung wollte Freispruch

Die Verteidigung wies alle Vorwürfe umgehend zurück. Der Angeklagte habe erst bemerkt, dass es der Frau schlecht ging, als diese von Angehörigen zum Zug getragen werden musste.

Der Einsatzleiter des Grenzwachtteams habe sich dann rasch entscheiden müssen, ob er die Flüchtlingsgruppe mit dem Zug in den keine halbe Stunde entfernten italienischen Grenzort Domodossola schicke und bei den italienischen Behörden medizinische Hilfe anfordere oder ob er von Visp her einen Krankenwagen bestelle.

Dessen Anfahrt hätte ebenfalls geraume Zeit gedauert. Die Schwangere habe also mit der kurzen Fahrt nach Domodossola kaum länger auf Hilfe warten müssen. Die Verteidigung forderte einen Freispruch. (sda)

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