«In der Substanz» haben sich die Efta- und Mercosur-Staaten am Freitag in Buenos Aires über ein Freihandelsabkommen geeinigt. 95 Prozent der schweizerischen Ausfuhren werden dadurch zollbefreit. Das Abkommen enthält auch Bestimmungen zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit.
Das Freihandelsabkommen ermögliche Zolleinsparungen von über 180 Millionen Franken pro Jahr, teilte das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) am Samstag mit. WBF-Vorsteher Guy Parmelin wollte die Medien am späten Samstagnachmittag auf dem Flughafen Zürich-Kloten persönlich zur Einigung informieren.
Der Schweiz sei es gelungen, ein vergleichbares, teilweise sogar besseres Abkommen abzuschliessen als die EU mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay. Damit werde verhindert, dass Schweizer Exporteure gegenüber ihren Konkurrenten aus der EU auf diesen Märkten benachteiligt werden, hiess es in der Mitteilung. Zur massiven Brasilien-Kritik am Abschluss äusserte sich das Departement zunächst nicht.
In der Mitteilung wird lediglich festgehalten, dass zu den zentralen Punkten des Abkommens auch umfassende Bestimmungen zu Handel und nachhaltiger Entwicklung zählen. Insbesondere sei ein Dialog zu nachhaltiger Land- und Ernährungswirtschaft vorgesehen. Zudem enthalte das Abkommen unter anderem Bestimmungen zu Klimaschutz und der nachhaltigen Nutzung von Waldressourcen.
Das Abkommen wird in den nächsten Monaten einer rechtlichen Überprüfung unterzogen. Mit der Unterzeichnung wird spätestens Anfang 2020 gerechnet. Anschliessend kommt das umstrittene Geschäft in die eidgenössischen Räte. Das WBF möchte das Freihandelsabkommen spätestens im Jahr 2021 ratifizieren.
Schutzmechanismus für den Notfall
2018 exportierte die Schweiz Güter im Wert von mehr als 3.6 Milliarden Franken in die Mercosur-Staaten. Mit dem Abkommen werden knapp 95 Prozent der Ausfuhren mittelfristig vollständig zollbefreit. Für einen kleinen Teil der heutigen Exporte erhält die Schweiz Teilkonzessionen in Form von Zollsenkungen und Zollkontingenten.
Im umstrittenen Agrarbereich gewährt die Schweiz den Mercosur-Staaten jährliche Konzessionen für Fleisch, Käse, Speiseöle, Weizen, gewisse Früchte und Gemüse, Honig, Futtergetreide, Rotwein und verarbeitete Produkte. Der Umfang der Konzessionen bleibt nach Ansicht des WBF für die Schweizer Landwirtschaft vertretbar.
Für den Fall, dass die mit dem Abkommen gewährten Konzessionen «schwere Verwerfungen» auf den Schweizer Agrarmärkten verursachen sollten, hat die Efta einen griffigen Schutzmechanismus ausgehandelt, der es erlaubt, die Konzessionen im Notfall temporär auszusetzen.
Im Gegenzug erhält die Schweiz für wichtige Exportinteressen unter anderem Konzessionen für Käse, Kaffee, Zuckerwaren, Schokolade, Biskuits, Energy Drinks und Tabakprodukte.
Zweijährige Verhandlungen
Die Efta-Länder, darunter die Schweiz, hatten sich am Freitagabend mit dem südamerikanischen Handelsblock Mercosur über einen Freihandelsdeal geeinigt. Die Einigung gab Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro im Kurznachrichtendienst Twitter bekannt.
Ausgehandelt haben den Vertrag nach zwei Jahre langen Diskussionen auf der einen Seite die vier Mercosur-Staaten sowie auf der anderen Seite die Efta-Länder Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein. Der Text muss in den Vertragsstaaten noch ratifiziert werden.
«Ein weiterer grosser Sieg für unsere Diplomatie zur Öffnung des Handels», kommentierte Brasiliens Staatschef Bolsonaro die Einigung. Mit einem Abkommen wollen die südamerikanischen Staaten die Zölle auf Industriegütern teilweise oder ganz abbauen. Im Markt der beteiligten südamerikanischen Staaten leben rund 260 Millionen Konsumenten.
Historische Verbindungen vertiefen
Argentiniens Wirtschaftsminister Horacio Reyser bezeichnete das Abkommen auf Twitter als «einen neuen Erfolg im internationalen Integrationsprozess Argentiniens, der unsere historische Verbindung zum europäischen Kontinent vertieft und regelt». Die Schweiz und Norwegen hätten grosses Potenzial für Investitionen.
Die Schweizer Industrie forderte mit Nachdruck ein Abkommen. Schweizer Firmen sollten demnach gegenüber der EU-Konkurrenz in den Mercosur-Ländern nicht mehr benachteiligt werden. Das Freihandelsabkommen ist in der Schweiz allerdings sehr umstritten. Die Landwirtschaft etwa erwartet hohen Druck auf die Preise von Rindfleisch, Poulet, Ölsaaten und Zucker durch mehr Importe aus Südamerika.
Im Juni hatten bereits die EU und die Mercosur-Staaten eine Einigung über einen gemeinsamen Handelspakt erzielt. Dieses muss in der EU ebenfalls noch ratifiziert werden. Frankreich und Irland kündigten am Freitag wegen den Amazonas-Bränden allerdings eine Blockade des Freihandelsabkommens an. (sda/afp/awp)