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Wie der Individualismus die Gen-Z zur einsamsten Generation macht

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Freundschaften können anstrengend sein. Trotzdem dürfen wir nicht aufhören, sie zu führen.Bild: Shutterstock/watson
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Wie #Selfcare die Gen Z einsam macht

Die Generation Z ist so einsam wie keine andere Generation. Und wir sind selbst schuld.
26.12.2025, 10:2626.12.2025, 11:35

Freundschaften in den 20ern zu führen, ist schwierig: Die beste Freundin wohnt nicht mehr gegenüber, sondern in einer WG in Zürich. Die Schulfreundin, die man jede Woche fünfmal gesehen hat, ist nach Basel gezogen, um dort zu studieren. Und der beste Freund, dem man alles erzählen konnte, ist in einer neuen Beziehung und meldet sich nicht mehr. Das sind alles Szenarien, die gerade junge Menschen nur zu gut kennen. Genau aus diesem Grund klagen auch gerade so viele junge Menschen über Einsamkeit.

@devonandwillo Its been a while aince I’ve posted one these, so for anyone feeling lonely today, youre not alone! I hope this brings some inspiration 🫶 #weekendsalone #introvert #makingfriendsasadults ♬ The Wisp Sings - Winter Aid

Während die Gen Z für viele Dinge zu Unrecht verurteilt wird, ist die Einsamkeit ein Punkt, bei dem wir wirklich das Problem sind. Das Bewusstsein für mentale Gesundheit führt nämlich dazu, dass viele Gen-Zer langsam aber sicher zu kleinen Arschlöchern mutieren. Ich eingeschlossen.

Über mentale Gesundheit zu sprechen, ist aber doch eigentlich etwas Gutes, nicht?

Natürlich!

Aber:

Es gibt einen Unterschied, ob man einfach seine Grenzen kennt und setzt oder ob man einfach asozial ist. So ist es unter vielen Freunden normal geworden, dass man eine Stunde vor dem Treffen absagt, weil: «Ich fühle mich heute nicht so danach, unter Menschen zu sein.» Oder man schreibt zwei Wochen nicht zurück, weil man gerade so viel Stress hat. Verkauft wird dieses Verhalten dann als «Grenzen setzen».

Hat man diese «Grenze» dann einige Male durchgezogen, ist es aber nicht mehr weit, bis die Arschloch-Mutierung abgeschlossen ist. So wird das Geburtstagsfest der Freundin sausen gelassen, weil man niemanden auf der Party kennt. Oder am Morgen des Umzugs des Freundes findet man, dass man doch nicht mithelfen kann, weil: «Ich schulde niemandem etwas.»

Genau dieses Pseudo-Therapie-Geschwätz von wegen «Ich schulde niemandem etwas» wird gerade durch Social Media noch glorifiziert. Auf TikTok sprechen Dutzende Menschen darüber, dass sie «nie nach diesem Leben gefragt haben und darum auch niemandem etwas schulden».

@mindfulsources you are not responsible for how others feel about your boundaries. saying no doesn't make you unkind. protecting your peace doesn't make you selfish. you are allowed to disappoint people and still be a good person #coffee #coffeetok #life #advice #protectyourpeace ♬ scott street x i know the end - 𝘿𝙞𝙢𝙚𝙣𝙨𝙞𝙑𝙞𝙗𝙚𝙨🎧

Dazu sage ich nur: BULLSHIT! Wir schulden allen Menschen etwas. Wir schulden Fremden Respekt und Freundlichkeit, wir schulden unseren Freundinnen und Freunden Ehrlichkeit und Verlässlichkeit und unseren Partnern Kompromissbereitschaft und Zeit. Ansonsten funktionieren nicht nur unsere (Liebes-)Beziehungen, sondern auch unsere Gesellschaft nicht.

Dieses Me-First-Gehabe wird nämlich langsam aber sicher dazu führen, dass wir keine Freundschaften mehr schliessen können. Etwas, das bereits tausende Menschen auf Social Media beschäftigt.

@ichodernichts Replying to @Julia Amalie🌹 keine Freunde haben ist absolut uncool - angeblich 🧍🏽‍♀️💝 #fy #freunde #mentalhealth #breakup #friendshipbreakup #einsam #friends #keinefreunde ♬ The God Frequency I I - Carlos Carty

Ein Satz, der dazu auf TikTok immer wieder genannt wird:

«Everybody wants to have a village, but nobody wants to be a villager.»

Zu Deutsch: «Jeder möchte in einem Dorf leben, aber niemand möchte Dorfbewohner sein.» Damit ist gemeint, dass zwar jeder einer Community angehören und davon profitieren will, aber niemand die Lasten tragen möchte, die eine Gemeinschaft auch mit sich bringen kann.

Damit man mich jetzt nicht falsch versteht: Natürlich sollt ihr jetzt nicht alle fein säuberlich gezogenen Grenzen wieder über den Haufen schmeissen. Nein! Gerade Menschen mit mentalen Problemen oder Krankheiten sollten sich immer Zeit nehmen, in Therapie gehen und kommunizieren, wenn ihnen etwas zu viel wird.

Aber: Isoliert euch nicht in eurer Psyche, sprecht mit euren Freundinnen und Freunden und hört zu, wenn es ihnen schlecht geht. Seid wieder gute Freunde und helft einander. Weil Freundschaften etwas vom Wichtigste in unserem Leben sind – auch wenn sie manchmal anstrengend sind.

Video: watson/david indumi, hanna dedial
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175 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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pages
26.12.2025 11:06registriert August 2025
Ich kann das zwar schon verstehen, dass man heute einfach mal überhaupt keinen Bock hat auf die Geburtstagsparty. Kenne ich zu 100%. Aber dann geht man kurz hin, Pflichtprogramm, und verabschiedet sich nach 45 Minuten wieder. Weil, die Person die eingeladen hat, der bedeutet es was. Es nennt sich, über den eigenen Schatten springen. Was aber nicht geht ist, jemanden einfach komplett hängen zu lassen (Umzug), weil es zu Hause gerade so gemütlich ist. Nennt sich Commitment. Und einfach nicht auftauchen, wenn jemand einen wirklich braucht, ist einfach Asi.

Darum auch die Einsamkeit.
2027
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nature
26.12.2025 10:34registriert November 2021
Social Media ist der grosse Treiber von Egozentrismus und Egoismus. Nun haben wir ein Ausmass erreicht, das für die Gesellschaft sehr ungesund ist. Ich denke, dass Social Media zu den schlimmsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte gehört. KI wird auch zu dieser Gruppe von Erfindungen gehören.
20014
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Sakara
26.12.2025 10:35registriert Mai 2024
Viel zu häufig ist "Achtsamkeit" ein anderes Wort für Egoismus. Ist leider kein Generation Z Phänomen..
15327
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Wie #Selfcare die Gen Z einsam macht
Die Generation Z ist so einsam wie keine andere Generation. Und wir sind selbst schuld.
Freundschaften in den 20ern zu führen, ist schwierig: Die beste Freundin wohnt nicht mehr gegenüber, sondern in einer WG in Zürich. Die Schulfreundin, die man jede Woche fünfmal gesehen hat, ist nach Basel gezogen, um dort zu studieren. Und der beste Freund, dem man alles erzählen konnte, ist in einer neuen Beziehung und meldet sich nicht mehr. Das sind alles Szenarien, die gerade junge Menschen nur zu gut kennen. Genau aus diesem Grund klagen auch gerade so viele junge Menschen über Einsamkeit.
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