Der Bundesrat will dem Stimmvolk nun doch keinen Gegenvorschlag zur RASA-Initiative vorlegen. Er hat am Mittwoch beschlossen, darauf zu verzichten. Die Kehrtwende begründet er mit den negativen Reaktionen in der Vernehmlassung.
Die Initiative «Raus aus der Sackgasse» (RASA) will den Zuwanderungsartikel aus der Verfassung streichen. Das lehnt der Bundesrat ab. Ursprünglich wollte er dem Stimmvolk aber einen direkten Gegenvorschlag vorlegen.
Das Ziel war es, die Verfassung mit dem Gesetz zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative in Einklang bringen. Das Parlament hatte sich gegen Kontingente und Inländervorrang entschieden - und damit für eine Umsetzung, die vom Verfassungstext abweicht.
Dieser Entscheid des Parlaments sollte in der Bundesverfassung abgebildet werden, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga im Dezember. Der Bundesrat stellte zwei Varianten für einen Gegenvorschlag zur Diskussion.
Ergänzung und Dauerauftrag
Die erste sah eine Ergänzung des Zuwanderungsartikels vor: Bei der Steuerung der Zuwanderung sollten völkerrechtliche Verträge berücksichtigt werden müssen, die von grosser Tragweite für die Stellung der Schweiz in Europa sind.
Zudem wäre die Frist von drei Jahren für die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative gestrichen worden. Die zweite Variante beschränkte sich auf die Streichung der Frist. Damit wäre die Steuerung der Zuwanderung beziehungsweise die Neuverhandlung des Freizügigkeitsabkommens (FZA) zu einer Art Daueraufgabe geworden.
Parteien und Verbände dagegen
In der Vernehmlassung wurden die Vorschläge fast durchs Band abgelehnt. Eine Abstimmung über einen solchen Gegenvorschlag bringe keine Klärung, hiess es. Manche Teilnehmer schlugen neue Varianten vor. Allerdings gingen die Vorstellungen über deren Inhalt weit auseinander, schreibt der Bundesrat.
Angesichts dieses Ergebnisses sei nicht davon auszugehen, dass ein mehrheitsfähiger Gegenentwurf gefunden werden könne. Deshalb und aufgrund der Tatsache, dass in der Zwischenzeit auch kein Referendum gegen das Umsetzungsgesetz zustande gekommen sei, verzichte er auf einen direkten Gegenentwurf.
Längere Behandlungsfrist
Rechtlich ist die Kehrtwende problematisch: Wegen des ursprünglichen Entscheids, dem Parlament einen Gegenentwurf vorzulegen, hat sich die Behandlung der Initiative verzögert. Ohne Gegenvorschlag muss der Bundesrat dem Parlament spätestens ein Jahr nach Einreichen der Unterschriften eine Botschaft vorlegen, mit Gegenvorschlag hat er 18 Monate Zeit.
Diese Verlängerung hat der Bundesrat in Anspruch genommen. Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass er einen Gegenvorschlag ankündigt und nach der Vernehmlassung darauf verzichtet. Bei der Volksinitiative «Für eine öffentliche Krankenkasse» war das ebenfalls der Fall.
Rückzug möglich
Als nächstes befasst sich nun das Parlament mit der RASA-Initiative. Es hat bis zum 27. April 2018 Zeit, eine Abstimmungsempfehlung zu beschliessen. Entscheidet sich ein Rat für einen Gegenvorschlag, kann die Frist um ein Jahr verlängert werden. Denkbar ist auch, dass die Urheber die Initiative zurückziehen. Bisher haben sie sich alle Türen offengelassen.
Das Nein zur RASA-Initiative hatte der Bundesrat bereits letzten Herbst im Grundsatz beschlossen. In der Botschaft ans Parlament hält er fest, er teile das Anliegen der Initianten, das FZA und die bilateralen Verträge mit der EU zu erhalten. Mit der FZA-konformen Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative erachte er das Anliegen aber als erfüllt.
Demokratiepolitische Gründe
Bei einem Ja zur RASA-Initiative würde der Auftrag zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung sowie für einen Inländervorrang wegfallen, gibt der Bundesrat zu bedenken. Er sei aber der Ansicht, dass die Zuwanderung mit geeigneten Massnahmen gesteuert und begrenzt werden solle. Auch lehne er es aus demokratiepolitischen Gründen ab, nach so kurzer Zeit einen Entscheid von Volk und Ständen rückgängig zu machen.
Der Bundesrat geht indes davon aus, dass bei einer Annahme der RASA-Initiative am Umsetzungsgesetz zur Masseneinwanderungsinitiative festgehalten werden könnte. Dieses sieht eine Vorzugsbehandlung für Stellensuchende vor, die bei der Arbeitsvermittlung gemeldet sind.
Nein wäre kein Kündigungsauftrag
Bei einem Nein würde der Zuwanderungsartikel in der Verfassung bestehen bleiben. Der Bundesrat weist darauf hin, dass sich dieser nicht zur Frage äussert, was geschehen soll, wenn das FZA nicht angepasst werden kann. Insbesondere habe die Masseneinwanderungsinitiative keine Kündigung gefordert.
Würde die RASA-Initiative abgelehnt, bestehe daher nach wie vor kein expliziter Auftrag zur Kündigung des FZA, schreibt der Bundesrat. Fraglich sei, ob weiterhin völkerrechtliche Verträge abgeschlossen werden dürften, die weder Kontingente noch Höchstzahlen beinhalteten. Bei einer allfälligen künftigen Erweiterung der EU müsste das geprüft werden.
Ein Auftrag zur Kündigung des Freizügigkeitsabkommens könnte mit einer Initiative aufs Tapet kommen, welche die AUNS in Aussicht gestellt hat. Sie will am 6. Mai über die Lancierung entscheiden. (sda)