SEF 2016: Nobelpreisträger Deaton plädiert für soziale Verantwortung

SEF 2016: Nobelpreisträger Deaton plädiert für soziale Verantwortung

10.06.2016, 14:28

Für Starökonom Angus Deaton ist Ungleichheit eine Folge des Fortschritts. Problematisch wird es laut dem Wirtschaftsnobelpreisträger jedoch, wenn die Ungleichheit trotz lahmender Wirtschaft wächst.

Ungleichheit sei nicht zwingend schlecht. Aber sie sei dann schlecht, wenn Leute den Eindruck hätten, der Weg nach oben sei ihnen versperrt, sagte Deaton am Freitag am Swiss Economic Forum in Interlaken. «Leute akzeptieren Ungleichheit, wenn sie sehen, dass sie selbst eine Chance haben, aufzusteigen».

Wenn sie aber glaubten, dass es diese Chance nicht mehr gebe, dann suchten sie nach einem Schuldigen. Und dieser Schuldige sei oft der Einwanderer. Diese Entwicklung habe in den USA stattgefunden, und sie sei auch in Europa zu beobachten. Für Deaton ist dies auch der Grund für den Höhenflug von Präsidentschaftskandidat Donald Trump in den USA.

Unterschiedliche Entwicklungen

Global gesehen habe sich die Welt in den vergangenen Jahrzehnten zum Guten gewandelt, sagte Deaton. Die Lebenserwartung sei gestiegen, die Armut zurückgegangen und die Ungleichheit weltweit gesehen gesunken. Dies sei unter anderem auf China und Indien zurückzuführen, wo der schnelle wirtschaftliche Aufschwung eine grosse Zahl von Leuten von der Unter- in die Mittelschicht gehoben habe.

In zahlreichen anderen Ländern steige aber die Ungleichheit bei gleichzeitig schwachem Wirtschaftswachstum, so in den USA, aber auch in der Schweiz. Bei schwachem Wachstum und steigender Ungleichheit würden Leute zurückgelassen, «manchmal sehr grosse Gruppen von Leuten», sagte Deaton. In den USA lebe heute eine substanzielle Zahl von Personen mit weniger als zwei Dollar pro Tag.

Bei der weissen US-Bevölkerung sei die Mortalitätsrate im Alter zwischen 45 und 55 Jahren wieder gestiegen. Die Gründe seien Suizid, Alkohol oder Drogen. «Das ist es, was in den USA mit Personen geschieht, die abgehängt werden», sagte der Ökonom. Und die andere Folge sei, dass sie Donald Trump wählten.

Die Kehrseite dominiert

Er erachte Ungleichheit nicht grundsätzlich als schlecht, sagte Deaton. Wenn sie aufgrund von Innovation, von Fortschritt entstehe, dann könne sie ein Anreiz sein. Sie sei dann ein Zeichen, dass die Welt zu einem besseren Ort werde. Fortschritt beginne immer an einem Ort und die anderen Orte folgten nach. Es komme also zu Ungleichheit. Sie sei dann aber nichts Schlechtes, sondern zeige an, dass die anderen Leute später vom selben Fortschritt profitieren würden.

Heute werde aber die schlechte Seite der Ungleichheit sichtbar, sagte Deaton. Was geschehe, sei ein unproduktives Rent-Seeking. Entsprechend hätten die Leute den Eindruck, dass die Politik nichts mehr für sie tue. «Wir können es uns nicht leisten, grosse Teile der Bevölkerung zurückzulassen», sagte Deaton. (sda)

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