Am ersten Tag der Räumung des illegalen Flüchtlingslagers in Calais haben über 2000 Menschen das Camp verlassen. «1918 Erwachsene haben Calais in 45 Bussen verlassen, um in 80 Erstaufnahmezentren zu gelangen», sagte Innenminister Bernard Cazeneuve am Abend in Paris.
Hinzu kämen 400 unbegleitete Minderjährige, die in ein provisorisches Aufnahmezentrum gebracht worden seien. Für sie gelten spezielle Asylregeln. Frankreich dringt auf Familienzusammenführung für Kinder und Jugendliche, die Angehörige in Grossbritannien haben.
Die Auflösung des illegalen Flüchtlingslagers lief entgegen den Befürchtungen ruhig. Cazeneuve zog am Montag bereits tagsüber eine positive Zwischenbilanz der Aktion: «Wir möchten, dass sie ruhig und beherrscht abläuft. Das ist im Augenblick der Fall.»
In der wilden Zelt- und Hüttensiedlung, die unter dem Namen «Dschungel» bekannt geworden war, hatten sich in den vergangenen Jahren Flüchtlinge gesammelt, die illegal über den Ärmelkanal Grossbritannien erreichen wollten. Zuletzt hatten dort etwa 6500 Menschen gelebt. Die meisten kamen aus Ländern wie Afghanistan, Äthiopien, Eritrea und dem Sudan.
Noch in der Nacht hatten in dem Camp Mülltonnen gebrannt. Es war zu Zusammenstössen gekommen, als Migranten versucht hatten, auf eine nahegelegene Autobahn zu gelangen. Die Polizei hatte sie zurückgedrängt und dabei auch Tränengas eingesetzt. Verletzt wurde nach Angaben der Behörden allerdings niemand.
Auch am Tag kam es vor dem Registrierzentrum in der Nähe des Camps vereinzelt zu Rangeleien zwischen den Wartenden. In langen Schlangen sammelten sich die Menschen dort mit ihrem Gepäck an einem Absperrgitter. Die Befürchtung, Aktivisten könnten die Auflösung des Lagers mit gewaltsamen Protesten begleiten, traten allerdings zunächst nicht ein.
Noch kein Asylverfahren
Die konservative Bürgermeisterin von Calais, Natacha Bouchart, zeigte sich erleichtert, dass die Auflösung anlaufe. «Der Staat übernimmt seine Verantwortung.» Sie sprach allerdings auch die Befürchtung an, dass sich an anderen Orten neue illegale Camps bilden könnten. «Wir sind in ständiger Alarmbereitschaft, dass nicht neue Flächen in der Stadt oder in der Umgebung besetzt werden», sagte Bouchart.
Die Präfektin von Pas-de-Calais verglich das Registrierzentrum mit einem riesigen, improvisierten Busbahnhof. In dem Zentrum findet nur eine erste Befragung der Migranten statt, noch kein Asylverfahren. Den Menschen sollen zwei Regionen vorgegeben werden, zwischen denen sie wählen können. Ausgenommen sind der Grossraum Paris und Korsika.
Sorge über die kommenden Tage
Die Behörden betonten immer wieder ein «humanitäres» Vorgehen. Man setze darauf, dass sich die Menschen freiwillig melden, sagte der Sprecher des Innenministeriums. «Keiner wird gezwungen, sich in einen Bus zu setzen.» Die Behörden arbeiteten seit langem mit Hilfsorganisationen zusammen, um die Menschen davon zu überzeugen, das Lager zu verlassen.
Die vollständige Räumung soll noch eine Woche dauern. Schon am Dienstag wollen die Behörden damit beginnen, Zelte und Hütten abzureissen, in denen die Flüchtlinge bislang wohnten. Die Präfektur sprach von einer «noch nie da gewesenen Operation». Im Einsatz sind nach offiziellen Angaben rund 1250 Polizisten.
Menschenrechtler machten sich derweil Sorgen über die kommenden Tage. Derzeit laufe alles gut, weil jene Flüchtlinge zu den Bussen kämen, die «ungeduldig darauf gewartet haben, wegzugehen», sagte der Leiter der Organisation L'Auberge des Migrants (Herberge der Flüchtlinge), Christian Salomé. «Bald sind nur noch die Leute hier, die nicht weg und weiterhin nach Grossbritannien gelangen wollen.» (sda/dpa/afp)