Bundesrat will Gefährder unter Hausarrest stellen

Bundesrat will Gefährder unter Hausarrest stellen

08.12.2017, 17:32

Die Polizei soll Personen ohne Strafverfahren unter Hausarrest stellen dürfen, wenn von ihnen eine terroristische Gefahr ausgehen könnte. Das schlägt der Bundesrat vor. Er will die Möglichkeiten der Polizei im Umgang mit Gefährdern generell ausweiten.

Terrorismus könne nicht mit den Mitteln des Strafrechts allein bekämpft werden, schreibt der Bundesrat. Die Radikalisierung von Personen erfordere frühzeitige staatliche Interventionen. Das Gesetz, das der Bundesrat am Freitag in die Vernehmlassung geschickt hat, soll solche ermöglichen.

Vor der Straftat und nach der Haft

Die Massnahmen würden zum einen dann eingesetzt, wenn die Hinweise für die Eröffnung eines Strafverfahrens nicht ausreichen. Zum anderen soll das Gesetz den Behörden ermöglichen, jemanden nach der Entlassung aus dem Gefängnis weiterhin unter Kontrolle zu haben.

Heute seien der Polizei die Hände gebunden, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga vor den Medien in Bern. Als Beispiel nannte sie drei Iraker, die ihre Strafe abgesessen haben, aber immer noch als gefährlich gelten. Weil die Ausweisung nicht vollzogen werden kann, sind sie auf freiem Fuss.

Kaskade von Massnahmen

Eine Präventivhaft sieht auch das neue Gesetz nicht vor. Der Hausarrest hätte aber eine ähnliche Wirkung: Die Betroffenen könnten sich nicht frei bewegen. Für den Hausarrest wäre eine richterliche Genehmigung nötig. Er kommt zudem nur als letztes Mittel in Betracht, wenn andere Massnahmen nicht genügen.

Inhaftiert werden könnten Ausländerinnen und Ausländer, die des Landes verwiesen wurden, aber nicht ausgeschafft werden können. Der Bundesrat will einen neuen Haftgrund schaffen.

Handyortung und Fussfesseln

Daneben könnte die Polizei Gefährdern den Zugang zu einem bestimmten Gebiet oder Rayon verbieten oder ihnen vorschreiben, ein bestimmtes Gebiet nicht zu verlassen. Auch eine Meldepflicht bei den Behörden sowie ein Ausreiseverbot sind vorgesehen, verbunden mit der Beschlagnahmung des Reisepasses oder der Identitätskarte.

Um die Einhaltung der Massnahmen kontrollieren zu können, soll die Polizei die Handys der Betroffenen orten und elektronische Fussfesseln verwenden dürfen.

Zehn bis zwanzig Personen

Für die Anordnung der Massnahmen wäre das Bundesamt für Polizei (fedpol) zuständig. Dieses soll auch neue Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung erhalten: Fahnder könnten sich im Internet an Chats beteiligen, ohne sich als Polizisten erkennen zu geben. Schliesslich will der Bundesrat den verschiedenen Behörden ermöglichen, Informationen auszutauschen.

Der Nachrichtendienst des Bundes hat rund hundert sogenannte Risikopersonen im Visier. Als Gefährder würde nur ein Bruchteil von ihnen gelten, sagte fedpol-Direktorin Nicoletta della Valle. Sie geht von zehn bis zwanzig Personen aus.

Auch Rechtsstaat schützen

Die Meldepflicht, das Rayonverbot oder der Hausarrest wären zeitlich begrenzt, und die betroffene Person könnte sich vor Gericht dagegen wehren. Der Bundesrat wolle die Schweiz schützen, aber auch den Rechtsstaat, sagte Sommaruga dazu.

Im Bericht zur Vernehmlassung räumt der Bundesrat ein, dass heikle Fragen tangiert werden. Weil mit dem neuen Gesetz fundamentale Grund- und Menschenrechtsgarantien eingeschränkt würden, bedürfe es besonderer Sorgfalt, schreibt er.

«Likes» auf Social Media

Das fedpol soll die Massnahmen dann verfügen dürfen, wenn aufgrund «begründeter Anhaltspunkte» angenommen werden muss, dass eine Person eine terroristische Straftat begehen könnte. Das ist gemäss dem Bericht des Bundesrates zum Beispiel dann der Fall, wenn die Person Kontakt zu Personen pflegt, die zu terroristischer Gewalt aufrufen.

Auch das Weiterverbreiten und «Liken» terroristischer Inhalte könnte ein Anhaltspunkt sein. Als weiteres Beispiel nennt der Bundesrat Vorkehrungen, die auf eine Reise in Konfliktgebiete schliessen lassen.

Gesinnung genügt nicht

Die Anhaltspunkte müssten konkret und aktuell sein, das blosse Hörensagen von Drittpersonen würde nicht genügen, schreibt der Bundesrat. Zudem dürfe eine Ideologie und Gesinnung alleine nicht Auslöser präventiv-polizeilicher Massnahmen sein.

«Erst wenn sich die Radikalisierung einer Person durch ein Verhalten in einer Art und Weise manifestiert, dass sie künftig in eine terroristische Straftat überzugehen droht, ist staatliches Handeln angezeigt und gerechtfertigt», heisst es im Bericht.

Hürden für chemische Substanzen

Strafrechtliche Instrumente gegen Terrorismus hatte der Bundesrat bereits früher in die Vernehmlassung geschickt. Auch zur Prävention von Radikalisierung sind Massnahmen geplant. Das neue Gesetz soll nun die Lücke dazwischen füllen.

Der Bundesrat hat am Freitag ausserdem ein Gesetz in die Vernehmlassung geschickt, das den Zugang zu chemischen Substanzen erschwert, die einfach zu terroristischen Zwecken missbraucht werden können. Es geht um sogenannte Vorläuferstoffe zur Herstellung von Bomben wie etwa Dünge- und Reinigungsmittel.

Die Regelungen gelten für Privatpersonen, nicht aber für Berufsleute wie Bauern. Bei diesen setzt der Bundesrat auf Eigenkontrolle und Sensibilisierung, um allfälligem Missbrauch entgegenzutreten. (sda)

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