Er galt als Macher und Krisenmanager und war bis zu seinem Tod einer der populärsten Politiker in Deutschland. Nun ist der frühere Kanzler Helmut Schmidt mit 96 Jahren in seiner Heimatstadt Hamburg gestorben.
Schmidt verstarb nach Angaben seines Arztes Heiner Greten am Dienstag gegen 14.30 Uhr. Schmidts Gesundheitszustand hatte sich in den vergangenen Tagen deutlich verschlechtert. Der Altkanzler hatte in den vergangen Wochen wiederholt im Spital behandelt werden müssen, nachdem ihm im September ein Gefässverschluss entfernt worden war.
In der Sitzung des SPD-Bundestagsfraktion in Berlin reagierten die Abgeordneten nach Angaben von Teilnehmern betroffen und erhoben sich zu einer Gedenkminute. Als einer der ersten äusserte sich der Präsident des EU-Parlaments und SPD-Politiker, Martin Schulz. Schmidts Tod markiere «eine Zäsur für Deutschland und Europa», erklärte Schulz.
Der Sohn eines Volksschullehrers war am 23. Dezember 1918 im Arbeiterviertel Barmbek der Hansestadt zur Welt gekommen.
Minister und Kanzler
Schmidt war von 1974 bis 1982 als Nachfolger von Willy Brandt Bundeskanzler. In der aus Konservativen und Sozialdemokraten bestehenden Grossen Koalition führte er von 1967 bis 1969 die SPD-Bundestagsfraktion und war danach Verteidigungs- und Finanzminister. Den Hamburgern blieb Schmidt auch als tatkräftiger Innensenator während der Sturmflut von 1962 im Gedächtnis.
Zu den grössten Herausforderungen in seiner Kanzlerzeit gehörten die Ölkrise in den 70er Jahren und der Kampf gegen den Terrorismus der «Roten Armee-Fraktion». Resultierend aus den Erfahrungen als Soldat der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg war dem Volkswirtschafter die europäische Einigung ein Herzensanliegen. Den Sozialdemokraten trat Schmidt nach der Entlassung aus britischer Kriegsgefangenschaft bei.
Als einer der ersten wies Schmidt auf die Gefahren für das Rüstungsgleichgewicht durch neue sowjetische Mittelstreckenraketen hin. Der NATO-Doppelbeschluss führte zu einer heftigen Konfrontation auch mit seiner eigenen Partei.
Im Herbst 1982 scheiterte Schmidt mit seiner sozialliberalen Koalition an Differenzen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Durch ein konstruktives Misstrauensvotum wurde der Christdemokrat Helmut Kohl am 1. Oktober 1982 zu seinem Nachfolger gewählt.
Angesehen bis ins hohe Alter
Schmidt gehörte dem Bundestag bis 1987 an. Seit 1983 war er Mitherausgeber der Wochenzeitung «Die Zeit». Er schrieb zahlreiche Bücher und reiste für Vorträge um die Welt. Auch im hohen Alter waren seine Meinung und sein Rat gefragt und geschätzt. Schmidt erhielt zahlreiche Auszeichnungen, seine Bücher standen wochenlang auf den Bestseller-Listen.
Seine Frau Loki, mit der 68 Jahre verheiratet war und die er seit der Schulzeit kannte, war am 21. Oktober 2010 im Alter von 91 Jahren gestorben. Im August 2012 bekannte sich Schmidt zu Ruth Loah als neuer Gefährtin. Sie zählte schon seit Jahrzehnten zu seinen Vertrauten. Tochter Susanne Schmidt, promovierte Ökonomin und Finanzjournalistin, lebt mit ihrem Ehemann Brian Kennedy in England. (sda/dpa/reu/afp)