Die Geschichte wiederholt sich nicht. Aber ihre Muster: Nach der Rücktrittsankündigung von SP-Präsident Christian Levrat zeichnet sich bereits ein klares Profil für seine Nachfolge ab. Die neue Spitze sollte jung und am besten weiblich sein. Die Forderung nach einer Verjüngung dominierte schon, bevor Levrat vor zwölf Jahren das SP-Präsidium übernahm. Der damals 37-jährige Freiburger galt vielen als «junger Wilder». Nun muss sich Levrat selbst seit Wochen anhören, dass die junge Generation an der Reihe sei.
Und egal, wen man in der Partei fragt: Dass eine Frau aus der Deutschschweiz das Präsidium übernehmen soll, scheint eine ausgemachte Sache. Die Wählerinnen sind bei der SP ebenso in der Mehrzahl wie die Parlamentarierinnen. Kommt hinzu, dass das zweite nationale Spitzenamt derzeit ebenfalls von einem Mann aus der Romandie besetzt wird: Nationalrat Roger Nordmann führt die Bundeshausfraktion.
Auch deshalb steht schon fest, wer die Führung nicht übernehmen will. Der Bündner Neo-Nationalrat Jon Pult, den viele als Anwärter sahen, fordert ultimativ eine Präsidentin. Eine solche bilde die Realität der Partei und die Bedürfnisse ihrer Wähler besser ab, erklärte er kürzlich in dieser Zeitung. Gestern bekräftigte er seine Aussagen. Pult will «eine Auswahl an Frauen».
Eine solche ist in der SP zweifellos vorhanden. Im Scheinwerferlicht stehen vor allem jüngere Parlamentarierinnen. Mit der Berner Nationalrätin Nadine Masshardt, 35, hat sich bislang erst eine der möglichen Anwärterinnen aus dem Rennen genommen. Für das SP-Präsidium stehe sie nicht zur Verfügung, teilte sie kurz nach Levrats Ankündigung mit. Sie stelle sich aber zur Wiederwahl als Fraktionsvizechefin.
Wer sich zu früh aus der Deckung wagt, ist schnell verbrannt. Das weiss wohl auch Flavia Wasserfallen. Die 40-Jährige ist ebenfalls Berner Nationalrätin. Von ihr gibt es weder ein Ja noch ein Nein zu hören. «Nur so viel», sagte sie: «Jetzt gehört erst einmal der Dank und Respekt dem noch amtierenden Präsidenten.» Während sechs Jahren war Wasserfallen bereits Co-Generalsekretärin der Partei. Sie steht für die urbane SP, gilt aber als Levrat-nah. Will die Partei einen Neuanfang, könnte ihr dies zum Nachteil gereichen.
Grundsätzlich eine Kandidatur vorstellen könnte sich die Zürcher Nationalrätin Min Li Marti, wie sie dem «Tages-Anzeiger» bestätigte. Sie sprach aber von einer «nicht optimalen Konstellation». Ihr Mann Balthasar Glättli ist bereits Fraktionschef der Grünen.
Für den Chefposten interessieren dürfte sich auch die St. Galler Nationalrätin Barbara Gysi. «Nun geht es zuerst einmal darum, Christian Levrat für seine Arbeit zu danken», sagte sie und betonte zugleich: «Die Parteispitze sollte weiblicher werden.» Gysi will sich eine Kandidatur sorgfältig überlegen und zuerst einige Fragen klären. «Mehr gibt es dazu derzeit nicht zu sagen.» Sie kandidierte bereits für die Spitzen von SP-Bundeshausfraktion und Gewerkschaftsbund – ohne Erfolg. Die 55-Jährige steht zudem kaum für den geforderten Generationenwechsel.
Einen solchen verkörpern könnte dagegen die 32-jährige Zürcherin Mattea Meyer. Trotz ihres jungen Alters verfügt die Nationalrätin über einen grossen politischen Erfahrungsschatz. Meyer ist eine Wortführerin des linken Parteiflügels. Das SP-Präsidium bezeichnet sie als «spannendes und forderndes Amt». Zu ihren eigenen Ambitionen äussert sie sich vorerst nicht.
Ein Mann dürfte nur in einer Doppelspitze mit einer Frau zum Zug kommen. Meyer wird als mögliche Co-Präsidentin genannt – mit dem Aargauer Nationalrat Cédric Wermuth. Die beiden sind befreundet und gehörten gemeinsam der Juso-Spitze an. Angesprochen auf eine mögliche Doppelspitze, hält Meyer fest: «Unabhängig vom SP-Präsidium halte ich Co-Führungsmodelle für zukunftsweisend. Sie zeigen auf, wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert werden kann.»
Auch Wermuth sagte jüngst dem «Zofinger Tagblatt», er sei «ganz generell offen für die Idee eines Co-Präsidiums». Gestern gab sich der 33-Jährige betont zurückhaltend. «Heute ist der Tag, um die Leistung von Christian Levrat zu würdigen», erklärte er. «Für alles andere bleibt noch genügend Zeit.» Ohnehin offen ist, ob die Parteigremien überhaupt ein Co-Präsidium akzeptieren würden. Die grüne Partei gab ihre Doppelspitze vor vier Jahren auf. (aargauerzeitung.ch)