Ein 17-jähriger Lette hat am Sonntagabend in Flums SG sieben Menschen mit einem Beil verletzt. Der mutmassliche Täter war schon vor der Tat wegen Gewaltfantasien aufgefallen.
Die St. Galler Kantonspolizei informierte am Montag über die Geschehnisse des Vorabends: Demnach kam es am Wohnort des 17-Jährigen zunächst zu einem Feuerwehreinsatz. Der kleine Brand war bereits zuvor von Bewohnern des Hauses gelöscht worden.
«Ob der Brand einen Zusammenhang mit den nachfolgenden Gewalttaten hat, wissen wir nicht», sagte Sigi Rüegg, stellvertretender Kommandant der Kantonspolizei St. Gallen, am Montag vor den Medien.
Kurz nach 20 Uhr am Sonntag kam es am Postplatz der Gemeinde Flums zur ersten Beil-Attacke. Der 17-jährige Lette griff ein Ehepaar von hinten an, das mit seinem achtmonatigen Kind unterwegs war. Der 35-jährige Mann wurde schwer verletzt. Die 30-jährige Frau befindet sich mit unbestimmten Verletzungen im Spital.
Das Baby fiel aus dem Kinderwagen. Der Knabe sei vom Täter nicht verletzt worden, teilte die Polizei mit. Er sei zur Überwachung im Spital.
Hilferufe vor der Tankstelle
«Zwei Passanten griffen beherzt ein», berichtete Rüegg. Der 72-jährige Mann und die 59-jährige Frau wurden vom Täter ebenfalls mit dem Beil angegriffen und leicht verletzt. Sie konnten das Spital bereits wieder verlassen.
Der Angreifer flüchtete danach mit dem Auto der Passanten Richtung Walensee. Weit kam er aber nicht; nach wenigen hundert Metern verursachte er einen Selbstunfall. Der 17-Jährige liess das demolierte Auto stehen.
Der nächste Tatort befindet sich ebenfalls in Flums. Wahrscheinlich zu Fuss sei der Jugendliche zu einer Tankstelle gerannt, so Rüegg. Drei Frauen, Passantinnen im Alter von 21, 27 und 44 Jahren, wurden dort von ihm mit dem Beil angegriffen. Die leicht verletzten Frauen konnten sich im Tankstellenshop in Sicherheit bringen.
Polizisten, die sich in der Nähe befanden, wurden auf die Hilferufe vor der Tankstelle aufmerksam und reagierten. Der mutmassliche Täter versuchte, erneut ein Auto zu entwenden und zu flüchten.
Motiv nicht bekannt
Erst nach einem Taser- und Schusswaffeneinsatz konnte er festgenommen werden. Bei der Tankstelle stellte die Polizei ein Beil sicher. Es dürfte sich um die Tatwaffe handeln. Die Polizei machte keinen weiteren Angaben über den Zustand der Opfer. Der Täter, der schwer verletzt wurde, wird im Spital überwacht.
Über das Motiv des Jugendlichen sei noch nichts bekannt, sagte Stephan Ramsayer, Leitender Jugendanwalt bei der St. Galler Staatsanwaltschaft. Am Montagnachmittag sollte er erstmals einvernommen und Untersuchungshaft beantragt werden.
Der 17-Jährige stammt aus Lettland und kam vor rund vier Jahren im Rahmen eines Familiennachzugs in die Schweiz. Er absolviert eine handwerkliche Lehre.
Der junge Lette war bereits im letzten Juni der Jugendarbeit durch Anspielungen auf Gewalt aufgefallen. Später erfolgte zum gleichen Thema eine Meldung der Berufsschule. Die Kriseninterventionsgruppe des Schulpsychologischen Dienstes begann mit Abklärungen. Dabei sei der Jugendliche eng begleitet worden, so Ramseyer.
Keine akute Gefährdung Dritter
Mitte September wurde dann in Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaft abgeklärt, ob eine akute Gefährdung Dritter vorliegt. Dabei sei man zum Schluss gekommen, dass keine Zwangsmassnahmen angezeigt seien. Der Jugendliche habe keine konkreten Drohungen ausgestossen, etwa gegen andere Personen, stellte der Jugendanwalt fest.
Weitere Alarmzeichen lagen offenbar nicht vor: Der 17-Jährige habe sich in der Schule, aber auch an der Lehrstelle unauffällig verhalten, hiess es. Er sei nicht vorbestraft und es habe «keine Gewaltvorgänge» gegeben.
Der Jugendliche und seine Eltern hätten sich bei den Gesprächen mit der Kriseninterventionsgruppe kooperativ verhalten. Unter anderem sollte dabei geklärt werden, ob eine psychiatrische Unterbringung in Frage kommt. Dieser Entscheid war bis zur Tat am Sonntagabend noch nicht gefallen. (sda)