Die UNO hat scharfe Kritik an Europas Flüchtlingspolitik geübt. Ein zwischen europäischen und afrikanischen Staaten getroffenes Abkommen wird «sehr dünn mit Blick auf den Schutz von Menschenrechten von Flüchtlingen in Libyen und auf den Flüchtlingsbooten» bezeichnet.
Dies schrieb UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Raad al-Hussein, in einem am Freitag von den Vereinten Nationen veröffentlichten Beitrag. Das Abkommen schweige sogar «zu der dringenden Notwendigkeit, Alternativen zu der willkürlichen Internierung hilfsbedürftiger Menschen» zu finden.
«Die Erinnerung ist kurz, wenn die Fakten unangenehm sind», erklärte er mit Blick auf einen Bericht zu den unmenschlichen Zuständen für Flüchtlinge in den Internierungszentren in Libyen, den die Vereinten Nationen bereits im Dezember vergangenen Jahres veröffentlicht hatten. Seitdem habe sich die Lage noch verschlimmert, erklärte Zeid weiter.
Happige Vorwürfe an EU
Es gebe Berichte über Tote «an den Stränden, in den Wäldern, in der Wüste». Die Leichenhäuser in Libyen seien überfüllt, klagte Zeid an. Ausser den Familien, die auf ein Lebenszeichen ihrer Angehörigen warteten, scheine sich aber kaum jemand dafür zu interessieren.
Die Europäische Union habe sich auf eine Kooperation mit einer libyschen Küstenwache eingelassen, die manchmal Flüchtlinge rette, manchmal aber selber Hilfsbedürftigen nicht helfe, sie ausraube oder sogar erschiesse. Dieser Machtmissbrauch werde von der EU heruntergespielt, schrieb Zeid.
Bei einem Treffen in Paris Ende August war nach offiziellen Angaben eine weitreichende Kooperation mit einigen afrikanischen Staaten beschlossen worden. Teilgenommen hatten daran die Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Deutschlands, Italien, Spaniens sowie der afrikanischen Staaten Niger, Tschad und Libyen.
Rückendeckung für Flüchtlingshelfer
Der UNO-Hochkommissar stellte sich ausdrücklich hinter die Flüchtlingshilfsorganisationen, die gegen den Widerstand auch europäischer Regierungen versuchen, Menschen vor der libyschen Küste zu helfen.
Er stimme voll mit dem offenen Brief der Präsidentin von «Ärzte ohne Grenzen», Joanne Liu, an die europäischen Regierungen überein, erklärte Zeid. «Ich unterstütze ihre Analyse voll und teile ihren Ekel vor dieser Situation», schrieb Zeid.
Liu hatte in ihrem Brief die Unterstützung der libyschen Regierung durch die EU beklagt, die «geblendet vom alleinigen Ziel» sei, «Menschen von Europa fernzuhalten». «Diese Politik mästet ein kriminelles System schwerer Misshandlung von Menschen», schrieb Liu nach dem Besuch eines Internierungslagers in Tripolis.
Die Internierung von Migranten und Flüchtenden in Libyen sei durch und durch niederträchtig. «Um es klipp und klar zu sagen: Es handelt sich um ein florierendes Geschäft mit Entführungen, Folter und Erpressung.»
Die EU-Regierungen hätten die bewusste Entscheidung getroffen, Menschen unter diesen Bedingungen einsperren zu lassen. «Niemand darf nach Libyen zurückgeschickt werden, und niemand sollte dort festgehalten werden», forderte Liu. (sda/reu)