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Maria Magdalena, Begleiterin von Jesus: Heilige oder Hure?

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Heilige oder Hure? Wie Maria Magdalena Christen zur Verzweiflung bringt

Im neuen Film «Maria Magdalena» ist die Hauptdarstellerin die Geliebte von Jesus.
24.03.2018, 07:5717.09.2019, 15:22
Hugo Stamm
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Maria Magdalena, wie sie sich Tizian vorstellte.
Maria Magdalena, wie sie sich Tizian vorstellte.

Biblische Figuren und Geschichten haben trotz der Säkularisierung weiterhin ein Eigenleben und regen die Fantasie bis in unsere Tage an. Schriftsteller, Maler und Regisseure finden immer wieder Motive in der Bibel, die auch heute noch auf ein breites Interesse stossen.

Aktuell erhitzt der Film «Maria Magdalena» die Gemüter. Und zwar nicht nur von Gläubigen, sondern auch von Skeptikern. Es gibt mehrere Gründe dafür.

Mythologische Geschichten mit starker Symbolkraft

Die Bibel, das Buch der Bücher, hat die geistige und kulturelle Entwicklung über Jahrhunderte tiefgreifend geprägt. Ausserdem ist sie voll von mythologischen Geschichten mit starker Symbolkraft. Ähnlich wie die griechische Mythologie.

Entscheidend dürfte aber der ewige Streit um die Authentizität der Bibel sein: Gläubige sehen sich bei monumentalen Jesus-Filmen in die Zeit des Urchristentums versetzt und können sich mit ihrem Sohn Gottes auf emotionaler Ebene identifizieren. Ein Erlebnis, das sie in ihrem Glauben bestärkt.

Trailer vom neuen Film Maria Magdalena.Video: YouTube/vipmagazin

Skeptiker unter den Schriftstellern und Regisseuren erzählen hingegen alternative Geschichten aus er Bibel. Sie stutzen Jesus gern auf menschliche Dimensionen zurecht und wischen den Heldenmythos von ihm ab: Der sympathische Mensch Jesus, gezeugt auf natürlichem Weg wie alle Menschen vor und nach ihm.

Neben Jesus beschäftigt die Künstler und Autoren vor allem auch Maria Magdalena. Sie ist eine geheimnisvolle Figur und spielt im Neuen Testament die wohl wichtigste weibliche Rolle. Als stetige Dienerin und Begleiterin sorgte sie für sein Wohl.

Umstritten ist aber die Frage, ob dieses Wohl an der Schwelle zum Schlafzimmer geendet hat. Ihr war es laut Bibel immerhin vorbehalten, Zeugin der Kreuzigung zu sein. Sie war auch die erste Person, der sich Jesus nach seiner Auferstehung offenbarte. Er beauftragte sie auch, die Jünger zu informieren.

Ob Heilige oder Hure – wir wissen es nicht. Wir wissen nicht einmal, ob es sie wirklich gegeben hat. Vielleicht ist sie der Fantasie der Evangelisten entsprungen.

Diese intime Nähe zu Jesus regte die Fantasie der Künstler und Schriftsteller an. Für die Skeptiker, die in Jesus einen gewöhnlichen Wanderprediger sahen, war Maria Magdalena nicht nur Begleiterin, sondern auch Gespielin.

Diese Interpretation der Rolle von Maria Magdalena beschäftigte vor allem auch die Maler. Weltbekannte Künstler von Tizian bis Furini brachten Maria Magalena in lasziver Haltung und mit entblösstem Oberkörper auf die Leinwand und machten Jesus zu einem Mann mit den üblichen Bedürfnissen und zu einem sterblichen Wesen.

Auch mehrere Schriftsteller mühten sich am Stoff ab und machten Maria Magdalena zur Geliebten von Jesus. Dan Brown landete mit seinem Buch «Sakrileg» gar einen Bestseller und machte Jesus und Maria Magdalena zu einem attraktiven Paar. Und klar, sie schenkte ihm ein Kind. Für Fromme eine unerträgliche Provokation und Blasphemie.

Die vermeintliche oder reale Liaison der beiden kommt nicht von ungefähr, spricht doch der Evangelist Markus von der Gefährtin Jesu. Andere, nicht kanonische Schriften stellten sie gar als Geliebte dar. Das brachte ihr die Bezeichnung Sünderin ein, weil sie angeblich Jesus verführt hatte. Und von der Verführerin ist es nicht mehr weit zur Prostituierten.

Maria Magdalena war bei der Kreuzigung von Jesus dabei und traf ihn als Erste nach seiner Auferstehung.
Maria Magdalena war bei der Kreuzigung von Jesus dabei und traf ihn als Erste nach seiner Auferstehung.

Den Kirchenführern kam die Verehrung von Maria Magdalena deswegen lange Zeit ungelegen. Es war ihnen eher peinlich, dass die zölibatär lebenden Mönche und Geistlichen die angebliche Verführerin in ihre nächtlichen Gebete einschlossen.

Angefeuert wurden die erotischen Fantasien vor allem durch die Vorstellung, dass Maria Magdalena eine intime Nähe zum geliebten Heiland hatte. Für diese Projektion war die andere wichtige Maria im neuen Testament ungeeignet: Die Mutter Gottes hatte Jesus laut Bibel bekanntlich unbefleckt empfangen.

Als die Kirchenführer erkannten, dass sich Rolle und Bedeutung von Maria Magdalena nicht länger kleinreden liessen, mutierte sie von der Sündern zur Heiligen.

Ist Maria Magdalena nur ein Mythos?

Ob Heilige oder Hure – wir wissen es nicht. Wir wissen nicht einmal, ob es sie wirklich gegeben hat. Vielleicht ist sie der Fantasie der Evangelisten entsprungen, denn sie sind die einzigen, die sie beschrieben haben. Doch gekannt haben sie sie nicht, so wie sie auch keine Zeitzeugen von Jesus waren.

Sie haben die biblischen Geschichten vom Hörensagen aufgezeichnet. Viele Jahre nach dem Tod von Jesus. Doch das kümmert die Geistlichen bis heute nicht, die Maria Magdalena in ihr Gebet einschliessen.

Auch Jesus wäre zu wünschen gewesen, dass Maria Magdalena keine Heilige war.

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Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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117 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Phiilofofi
24.03.2018 09:13registriert März 2018
Vor allem lustig, dass Jesus immer ein Weisser ist. So ziemlich europäisch und so... macht voll Sinn.
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Sophia
24.03.2018 09:14registriert Juli 2015
Der ganze Hype um den angeblichen Menschengott Jesus ist mir völlig egal. Wenn aber die Theologen behaupten, Jesus sei ganz Mensch und ganz Gott, dann hatte er als ganzer Mensch auch sexuelle Bedürfnisse. Offenbar war er bisexuell, denn Caravaggio und Leonardo haben ihn als eindeutig als Schwulen gemalt und die Gnostiker haben das auch so gesehen. Unter dem Kreuz standen ja Maria Magdalena und der geliebte Johannes und sie sehen sich niemals an auf den Bildern! Und wisst ihr was, mir ist dieser bisexuelle Jesus allemal lieber als das bigotte Bild, das die Kirchen von ihm zusammenbasteln.
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Lucida Sans
24.03.2018 10:33registriert Februar 2017
Weitere unglaublich interessante Frage: Hatte Schneewittchen Sex mit den Zwergen?
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