Man hätte viele Fragen an Brasiliens Interimspräsidenten Michel Temer. Zum Beispiel – die aktuellste –, ob und wie die Paralympischen Spiele im September trotz drastischer Finanzprobleme stattfinden können. Oder wie den brasilianischen Fans in den Stadien beigebracht werden kann, dass Gegner nicht ausgepfiffen werden. Oder was er dazu sagt, dass nur die Privilegierten im Land von den Spielen profitieren. Oder weshalb sich trotz massiv aufgestockten Polizei- und Militäraufgebots täglich die Nachrichten über Diebstähle und Überfälle jagen.
Davon wollte der 75-jährige Temer nichts wissen. Er liess die versammelte Weltpresse in Rio de Janeiros olympischem Medienzentrum drei Stunden auf eine kurzfristig anberaumte Medienkonferenz warten.
Auftritt schliesslich um 17.49 Uhr Ortszeit, Abgang 17.52 Uhr. Dazwischen ein paar Aussagen: Vor den Spielen habe es Bedenken gegeben, unter anderem wegen der Sicherheit. Nun sei aber alles gut, alle involvierten Kräfte würden gut kooperieren, es werde noch mehr Medaillen geben, und er freue sich auf die Paralympischen Spiele. Fragen beantwortete er keine. Rios Stadtpräsident Eduardo Paes war ebenfalls vor Ort, trat aber nicht ans Mikrofon. Auch ihm hätten die Medienschaffenden gerne ein paar Fragen gestellt.
An der Eröffnungsfeier am 5. August war Michel Temer im Maracanã-Stadion von Brasilianern ausgepfiffen worden. Zwei Wochen später hat er sich wenig neue Freunde gemacht. (sda)
Brasiliens suspendierte Präsidentin Dilma Rousseff will bei ihrem finalen Auftritt im Senat «Gerechtigkeit» einfordern. Sie werde sich vor der Abstimmung des Senats über ihre Amtsenthebung dort persönlich verteidigen.
«Ich erwarte vom Senat Gerechtigkeit. Ich werde im Senat nicht nur für die Demokratie und den Respekt des direkten Votums des brasilianischen Volkes, sondern auch für Gerechtigkeit argumentieren», sagte Rousseff am Donnerstag vor ausländischen Korrespondenten. Rousseff betonte erneut ihre Unschuld und warf ihrem Vize Michel Temer vor, sie «verraten» zu haben, um selbst die Macht zu übernehmen.
«Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, über einen Präsidenten zu urteilen: eine direkte Wahl», sagte die linke Politikerin, der vorgeworfen wird, vor der Präsidentenwahl 2014 die Haushaltszahlen geschönt zu haben, um ihre Chancen einer Wiederwahl zu verbessern. Sie selbst sieht in dem Amtsenthebungsverfahren einen Staatsstreich ihrer Gegner.
Nach Einschätzung von Beobachtern wird das Verfahren am 29. August mit grosser Sicherheit mit der Absetzung der Präsidentin enden. Die 68-Jährige will sich bei der Sitzung im Senat persönlich verteidigen.
Sie hat dazu eine halbe Stunde Zeit mit der Möglichkeit einer Verlängerung. Es wird erwartet, dass die endgültige Abstimmung am 31. August erfolgt. Zuletzt hatte Rousseff am Dienstag in einem offenen Brief an den Senat appelliert, das Verfahren abzubrechen. (cma/sda/afp)