Kritiker und Kritisierte trafen vor dem Aarauer Bezirksgericht nicht aufeinander. Alex Reichmuth, Redaktor der «Weltwoche» (WW), nahm auf dem Stuhl vor seinem Verteidiger Platz; der übrige Saal blieb leer. Verantworten musste er sich wegen zwei Artikeln, die er im letzten Jahr geschrieben hatte. «Alles weglächeln» und «Amt für Geldverschleuderung» lauteten deren Titel. Der Inhalt: Kritik an Regierungsrätin Susanne Hochuli – und Aussagen von ihr aus Kommissionsprotokollen.
Die Reaktion auf den ersten Artikel folgte prompt: Am Tag der Veröffentlichung reichte Hochulis Departement Gesundheit und Soziales (DGS) Strafanzeige gegen Unbekannt ein. Begründung: Im Artikel werde aus amtlichen Dokumenten zitiert, die dem Amtsgeheimnis unterstünden. In den abgedruckten Passagen äusserte sich die grüne Regierungsrätin gegenüber der Finanzkommission zu einem nicht ausgeschriebenen Auftrag für die Bewachung von Asylunterkünften.
Wer die Protokolle der WW zugespielt hat, ist unbekannt. Darüber, wer ihm die Informationen steckte, schweigt Reichmuth mit Verweis auf den Quellenschutz. Eine Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft zeigt: Das Strafverfahren ist noch hängig. «Bis zum jetzigen Zeitpunkt bestehen keine Anhaltspunkte auf eine konkrete Täterschaft», teilt Sprecherin Sandra Zuber mit. Im Rahmen dieser Untersuchungen erliess die Staatsanwaltschaft gegen Reichmuth einen Strafbefehl, den dieser anfocht – so landete schliesslich der «Weltwoche»-Redaktor vor dem Aarauer Bezirksgericht.
Das nun er der Beschuldigte sei, töne für ihn wie ein Witz, sagte Reichmuth am Prozess. Es sei ihm zwar bewusst gewesen, dass Probleme bekommen könne, wer ihm die Dokumente überlassen habe, aber nicht, dass auch ihm rechtliche Schwierigkeiten drohen könnten. Bei der Befragung vor Gericht hielt sich der Journalist mit detaillierten Aussagen zurück. Seine häufigste Antwort: «Dazu sage ich nichts.» Bejaht hat er jedoch die Frage der Gerichtspräsidentin, ob er gewusst habe, dass die Dokumente geheim seien.
Auf die Nachfrage, warum er die Zitate trotzdem veröffentlicht habe, ergänzte er: «Mir war wichtig, zu zeigen, dass Susanne Hochuli intern anders kommuniziert, als sie gegen aussen wirkt.» Diese Diskrepanz zwischen den sympathischen Auftritten und den teils schnoddrigen Äusserungen habe er aufzeigen wollen. «Das ist relevant für die Öffentlichkeit.»
Sein Verteidiger vertrat den gleichen Standpunkt: «Er hat Transparenz geschaffen und sich nicht strafbar gemacht.» Für seinen Mandanten verlangte er einen Freispruch. Das Gericht kam zu einem anderen Schluss und verurteilte Reichmuth zu einer Busse von 400 Franken – wegen Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen. Das Gericht gewichtete das Interesse an der Geheimhaltung höher als das öffentliche Interesse.
Hochulis Sprecher Balz Bruder liess ausrichten: «Das DGS hat das Urteil zur Kenntnis genommen; es spricht für sich.» Alex Reichmuth zeigte sich «erstaunt» über das Urteil. «Die Pressefreiheit ist empfindlich beeinträchtigt.» Ob er das Urteil weiter ziehen wird, wusste er nach dem Prozess noch nicht. (az)