Schweiz
Wirtschaft

Offener Brief: CVP-Nationalrätin Schmid-Federer rechnet mit der Partei ab.

Offen gesagt

«Liebe Frau Schmid-Federer-Lafontaine, noch fühlen Sie sich gut ...»

CVP-Nationalrätin Schmid-Federer kündigt ihren Rücktritt mit einem Exklusiv-Interview an und übt Kritik an der Partei-Spitze. Es gehe ihr dabei um die Sache. Das ist natürlich nicht wahr.  
03.05.2018, 15:3804.05.2018, 09:38
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Liebe Frau Schmid-Federer 

Der Vergleich mag auf den ersten Blick weit hergeholt scheinen, aber Sie erinnern mich ein bisschen an Oskar Lafontaine. Der ist ja damals auch im Richtungs- und Eitelkeiten-Streit mit Schröder zuerst von allen Ämtern und dann lautstark aus der SPD ausgetreten. Das hat ihm eine Weile richtig gut getan. Es den unsozialen Hartz-IV-Flüglern mal so richtig zu zeigen. Die mit seinem Liebesentzug zu bestrafen und den Rechtsrutsch der Linken zu bekämpfen.

Aber auf lange Sicht hat das alles eigentlich niemandem etwas gebracht, ausser ihm eine neue Freundin. Schröder setzte unbeeindruckt die Agenda 2010 um und führte Hartz-IV ein. Die SPD liegt in Trümmern und die Linkspartei ist von der AfD überholt.  

Und trotzdem machen Sie es ihm nach. Nur ist es bei Ihnen noch ein wenig irrationaler, weil unnötiger.

Die Ausgangslage ist doch klar: Sie müssen sich wegen einer Amtszeitbeschränkung der CVP Zürich nach 12 Jahren sowieso aus dem Nationalrat zurückziehen. Sie tun es ein Jahr vorher, damit der Nachrutscher als Bisheriger bessere Wahlchancen hat. Sie kündigen Ihren Rücktritt mit einer Exklusiv-Meldung in der politisch bedeutendsten Tages-Zeitung an. Alles exakt so, wie es eben gemacht wird. 

Und was tun Sie dann? 

Sie erzählen im ganzseitigen Exklusiv-Interview, dass Sie mit dieser Partei in diesem Parlament sowieso nicht hätten weitermachen wollen. Dass die Parteispitze mit dem konservativ-bürgerlichen Kurs alles an die Wand fahre. Dass die eigenen Ständeräte die Lohngleichheit und überhaupt die Sache der Frau verraten hätten. Dass die Partei statt mit dem von Ihnen favorisierten liberal-sozialen Programm die Städte zu erobern, lieber Sans-Papier-Kinder denunziere. Dass Präsident Gerhard Pfister zwar ein Lieber, aber auf dem falschen Dampfer sei.

Kurz: Sie rechnen ab. 

Da kommt natürlich der Verdacht auf, es gehe Ihnen nicht ausschliesslich um Politik, sondern auch ein bisschen um persönliche Animositäten, Niederlagen und Frustrationen. Die haben Sie sich nun von der Seele geredet, und ich nehme an, Sie haben die Zeitung heute Morgen mit einem Hochgefühl aufgeschlagen. 

Aber es wird nicht lange anhalten.

Ihre Äusserung, wonach Sie ausserhalb des Parlaments der christlich-sozialen Sache eher dienen können, ist natürlich Quatsch. Die Politik, um die es Ihnen angeblich geht, wird im Parlament und in den Gremien der politischen Partei gemacht. Und dort wird man nach Ihrer Abrechnung in Zukunft ignorieren, was Sie sagen. Oder gleich das Gegenteil davon tun. 

Insofern haben Sie Ihrer Eitelkeit kurzfristig geschmeichelt, Ihrem Anliegen aber langfristig geschadet. 

Lafontaine lässt grüssen! 

Hochachtungsvoll 

Maurice Thiriet 

Die Karriere der Barbara Schmid-Federer

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Die Karriere der Barbara Schmid-Federer
Barbara Schmid-Federer zu Beginn ihrer Nationalrats-Zeit im April 2008 vor dem Nationalratssaal.
quelle: keystone / karl-heinz hug
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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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DäPublizischt
03.05.2018 15:51registriert Dezember 2016
Lieber Herr Thiriet (oder darf ich "Mo" sagen?)

Sie sind ein Typ mit starken, teils kontroversen Meinungen. Sie lassen sich nicht in ein mediales oder politsiches Korsett zwängen und ecken gerne auch mal an. Und Sie schrecken auch nicht davor zurück, andere Leute auf die Schnauze fallen zu lassen (Barbara Burtscher lässt grüssen).

Sie sind nicht politisch korrekt und interessieren sich nicht dafür, was andere von Ihnen denken.

In dem Sinne: Merci! Ich bin nicht immer gleicher Meinung wie Sie (oder Du, Mo), aber Ihre Texte sind stets erfrischend, unverblümt und interessant zu lesen.

Mässi
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LookatLuki
03.05.2018 17:04registriert Juli 2015
Lieber Maurice Thiriet, 2 kleine Randbemerkungen:
1) Die Alters-Guillotine von 12 Jahren bei der CVP Kanton Zürich wurde erst vor wenigen Jahren eingeführt und wird nicht rückwirkend auf amtierende Amtsträger angewendet. Barbara Schmid-Federer hätte also noch weitere 8 Jahre im Amt bleiben können.
2) Frau Schmid-Federer bezieht ihre christlich-sozialen Werte nicht allein auf die Politik. Bereits seit vielen Jahren engagiert sie sich mit sehr viel Herzblut beim Roten Kreuz für die Unterstützung von Flüchtlingen und Menschen in Not und darauf möchte sie sich nun stärker fokussieren.
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FrancoL
03.05.2018 15:56registriert November 2015
"Da kommt natürlich der Verdacht auf, es gehe Ihnen nicht ausschliesslich um Politik, sondern auch ein bisschen um persönliche Animositäten, Niederlagen und Frustrationen"

Entstehen nicht gerade bei solchen Neuausrichtungen einer Partei die Gefühle von Frustration? Es geht doch gerade um DIESE Politik, die diese Gefühle erzeugt und wenn ich ein wenig die mir bekannten CVPler betrachte, so erkenne ich bei etlichen von Ihnen dieses Gefühl der Frustration nach der Wahl von Pfister.

Und ja wieso soll es in der Politik nicht auch um Animositäten gehen? Es sind auch Menschen so wie es Journis sind
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