Es hört sich an wie eine Praxis aus dem barbarischen Mittelalter. Aber Beobachter gehen davon aus, dass sie in Kreisen namentlich von evangelikalen Christen Hochkonjunktur hat: das «Umpolen» von Homosexuellen.
A. B.* hat es am eigenen Leib erlebt. Er erzählt im Gespräch:
Psychologisch werde die Homosexualität in diesen Kreisen «als Resultat eines Konflikts zum Vater oder zu naher Beziehung zur Mutter erklärt», sagt der junge Mann. Für ihn als Kind war die Situation dramatisch.
Nicht weniger als zehn Jahre lang dauerte die als «Therapie» verkaufte Tortur. Der junge Mann hatte immerhin noch das Glück, dass ihm irgendwann von selbst ein Licht aufging. Er berichtet:
Die «Therapieformen», die der «Therapeut» beim jungen Opfer anwendete:
Ein anderes Beispiel, wie der junge Mann von der Homosexualität «geheilt» werden sollte:
Von Glück kann A. B. reden, dass andere Umpolungs-Praktiken bei ihm nicht mehr eingesetzt wurden. «Früher wurde noch mit Stromstössen «therapiert›, das gibt es bei uns heute nicht mehr», erzählt A. B. «Man erhielt ein Foto von einem nackten Mann gezeigt und bekam dann einen Stromstoss. Auf diese Weise sollte ein Abwehrreflex verankert werden.»
Aus der Distanz von einigen Jahren sagt der junge Mann, der nach wie vor überzeugter Christ ist, allerdings nun in der reformierten Landeskirche:
Und sie sollen so weit gebracht werden, eine Hetero-Beziehung eingehen zu können.
Stephan Bischof, Vorstandsmitglied von Pink Cross, dem Schweizer Dachverband der Schwulen, versteht die Welt nicht mehr ob solcher Schilderungen: «Die sexuelle Orientierung ist nicht selbst gewählt, sondern gegeben. Man kann sogar sagen: gottgewollt!» Und klar sei doch: «Gott kann nie gewollt haben, dass Menschen solch psychisches Leid in Form der Heilung verursachen. Hier muss der Staat gesetzliche Flanken setzen und dem wilden Treiben der Fundis der evangelischen und katholischen Kirche ein Ende setzen.»
Unterstützung kommt jetzt von BDP-Fraktionschefin Rosmarie Quadranti (ZH). Sie hat diese Woche eine Interpellation eingereicht, in der sie feststellt: «In der Schweiz werden nach wie vor Therapien auch bei Minderjährigen durchgeführt, die eine Heilung von Homosexualität versprechen. Nach wie vor gibt es Psychologen, Therapeuten und Seelsorger, die Homosexualität als Krankheit deklarieren und Jugendliche oft jahrelang therapieren.» Quadranti will diese Praktiken verbieten und unter Strafe stellen, wie sie klarmacht. Sie fragt den Bundesrat: «Geht er davon aus, dass ein Straftatbestand, z. B. Nötigung, erfüllt ist?» Sie warte jetzt die Antwort der Regierung ab und werde wenn nötig weiter insistieren, um diese Praktiken abzustellen, sagt sie.
Gemäss dem Opfer A. B. gibt es viele solcher «Heiler». «Mir selbst sind etwa 20 solche ‹Therapeuten› bekannt», sagt er. «Sie sind in verschiedenen Einrichtungen wie Wüstenstrom, Living Waters oder Der Neue Weg tätig.» Bei den meisten «Therapeuten» handle es sich um «geheilte» Gays:
Sein Fazit: «Es ist eine verlogene, gefährliche Szene.» Und die «Therapeuten» verdienen darüber hinaus noch gut dabei. «Therapielektionen kosten 60 bis 80 Franken», so der junge Mann. Er weiss: «Es gibt sogar Psychotherapeuten, die solche Dienstleistungen über die Krankenkasse abrechnen.»
Also zahlen auch noch die Prämienzahler für solche «Heilungen». Sandra Kobelt, Sprecherin des Krankenkassenverband Santésuisse, sagt, sie habe bisher keine Hinweise darauf. Dazu bräuchte es Informationen von Insidern. Kobelt: «Aus unserer Sicht würden solche Machenschaften einen klaren Missbrauch der sozialen Krankenversicherung bedeuten. Und einen klaren Verstoss gegen die Standesregeln der Leistungserbringer und eine Missachtung der persönlichen Integrität eines Patienten.»
* Initialen geändert.