Bist du in Bern zur Geisterstunde bereits «Vater Nägeli» oder dem «Burgträppe-Balzli» begegnet? Beides sind bekannte Berner Gespenster, die durch die Stadt spuken sollen. Gerade der «Burgträppe-Balzli», der bei der Treppe zur einstigen Nydeggburg herumgeistert, ist ein grausiger Geselle, weiss Therese Caruso: «Frauen macht er gar nichts, aber junge Berner ‹verklopft› er regelmässig, und bis heute weiss man nicht, warum», erzählt die Stadtführerin.
Seit zwölf Jahren führt Caruso im Auftrag der städtischen Tourismusorganisation «Bern Welcome» Menschen durch die Gassen von Bern. Seit einigen Jahren nimmt sie die Leute auch mit auf Gespenstertouren. In diesen Tagen erleben diese einen regelrechten Boom, erzählt Caruso: «An Halloween ist die Nachfrage sehr gross. Man will an diesem Abend draussen sein, in der Hoffnung, dass man tatsächlich ein Gespenst sieht. Allgemein sind die Führungen im Winter und an Abenden beliebter.»
Die Stadt Bern hat viele Spukorte, weiss Caruso: «In der ruhigen und düsteren Brunngasse, in der Junkerngasse mit dem bekannten Gespensterhaus, beim Kindlifresserbrunnen oder bei den Treppen, die ins Matte-Quartier führen, findet man überall Gespenster.»
An diese Orte nimmt sie die Interessierten mit und erzählt die entsprechenden Spuk-Geschichten, die oft schon Jahrhunderte alt sind und in Bern sehr gut dokumentiert seien: «Wir haben einen so grossen Fundus an Gespenstergeschichten, dass ich nicht immer alle erzählen kann.» Einige Geschichten würden auf realen Gegebenheiten basieren, beispielsweise Todesurteile, die vollstreckt wurden. Andere haben ihren Ursprung im Aberglauben.
Manche Berner Gespenster sind historische Persönlichkeiten. Beim bereits erwähnten «Vater Nägeli» handelt es sich um den ehemaligen Berner Schultheissen Hans Franz Nägeli, der um 1500 lebte und seit seinem Tod 1579 um die «Frickstäge» mit unerlöster Seele umherwandle. Es würden aber ebenso neuere Geschichten erzählt, die auf aktuellen Erzählungen und Begegnungen basieren, sagt Caruso. Von Leuten, die Wahrnehmungen in ihren Häusern hatten. Vorhänge, die sich regelmässig und unerklärlich bewegten oder Schritte, die in Estrichen zu hören seien.
Auf ihren Touren gebe es immer wieder Leute, die Angst bekommen. «Es gibt Personen, die bewusst eine private Nachmittagstour buchen, weil sie in der Nacht zu fest Angst hätten», erklärt die Stadtführerin. Aber auch das Gegenteil gibt es: Es hat immer wieder Leute, die nicht an Gespenster glauben, sich aber trotzdem gerne Sagen und Geschichten anhören.
Die Gespenstertouren werden jeweils an die Gruppenkonstellation angepasst. Für die Kindergespenstertouren, die für Kinder unter 10-jährig gedacht seien, habe man sich mit Fachpersonen abgestimmt, um abzuklären, wie weit man bei den Spukgeschichten gehen kann.
Sie persönlich habe übrigens noch nie einen Geist gesehen, sagt Caruso: «Ich bin nicht so ‹gspürig› und habe noch nie visuell Gespenster gesehen, aber manchmal hat man ja ein Gefühl, nicht allein zu sein. Einmalig durfte ich mit einer Polizistin in das Gespensterhaus rein, dort war es mir schon etwas unheimlich und ich war froh, als ich wieder draussen war.» Eines ist für sie klar: Geister seien zwar manchmal lästig, aber die meisten wollten einem nichts Böses.