In der gut zweijährigen Geschichte des Online-Portals BärnToday ist es der Artikel mit den bisher meisten Klicks: Jener über Bauer Reto Isenschmid aus Heimenschwand, dem die Pacht gekündigt wurde, der nichts Passendes mehr fand und deshalb seine Kühe verkaufen muss.
Der frühere Berner Bauernpräsident und heutige Nationalrat Hansjörg Rüegsegger ist nur wenig älter als Reto Isenschmid und kennt ihn persönlich. «Es ist für jede Familie hart wie verrückt, wenn ein Bauernhof nicht weitergeführt werden kann», sagt er. Vor allem, wenn man jahrelang etwas aufgebaut hat und einem die Tiere ans Herz gewachsen seien.
In seinem früheren Amt habe er manche Fälle gesehen, bei denen eine Pacht unschön geendet hat. Meistens trügen beide Seiten Mitverantwortung, wenn es zur Kündigung kommt. Manche Pachtverträge seien auch von Anfang an befristet, zum Beispiel nach Schicksalsschlägen, sagt Rüegsegger. Aber: «Viele Pachten laufen sehr gut.»
Die Pachten sind im bäuerlichen Bodenrecht geregelt. Wenn sie enden, gibt es Raum für individuelle Lösungen. Häufig wird versucht, die Pacht zu verlängern, damit zum Beispiel angefangene Arbeiten erledigt werden können. Ein Problem ist häufig ein Vertragsende zum Jahreswechsel: Was passiert mit Kulturen, die im Herbst gesät werden, oder mit den Futtervorräten mitten im Winter? «Es gibt tausend Fragen, die geklärt werden müssen.» Gleichzeitig muss man sich nach einer neuen Aufgabe oder einem neuen Beruf umsehen.
Dass im Fall von Reto Isenschmid die Pacht gekündigt wurde, hat auch mit der Scheidung einige Jahre zuvor zu tun. Trennungen in der Landwirtschaft haben zugenommen. Während früher dem Betrieb zuliebe «ausgehalten» wurde, auch wenn die Beziehung längst zerrüttet war, wird heute eher ein Schlussstrich gezogen.
«Häufig verlieren dann alle», sagt Hansjörg Rüegsegger, der in seinem persönlichen Umfeld Fälle hautnah miterlebt hat, in denen alles entgleist ist und nur noch gegeneinander gearbeitet wurde. «Das gibt ganz harte Situationen für alle Beteiligten, gepaart mit psychischem Stress und finanziellem Schaden.»
Reto Isenschmid möchte gerne in die Tierpflege wechseln. Die Umstellung vom selbstständig erwerbenden Landwirt zum Angestellten sei für viele nicht ganz einfach, sagt Hansjörg Rüegsegger. Vorher war man sein eigener Herr und Meister, nun muss man sich als Arbeitnehmer mit Chefs, Pflichtenheften und fixen Arbeitszeiten anfreunden.
Leute aus der Landwirtschaft seien gefragt auf dem Arbeitsmarkt. «Man muss sich um Bäuerinnen und Bauern nicht Sorgen machen», so der frühere Bauernpräsident. Wenn es zu tun gibt, werde gearbeitet, egal ob am Wochenende oder am Abend spät – das sind sich alle von der Landwirtschaft gewohnt. Viele ehemalige Bauern wechseln bevorzugt in Jobs, in denen sie weiterhin in Bewegung und draussen sein können – also nicht in Bürojobs, bei denen man tagelang am Bildschirm klebt.
Das Vorgehen von Reto Isenschmid mit seinem Facebook-Aufruf findet Hansjörg Rüegsegger eine tolle Sache, er könne es sehr gut nachvollziehen. «Es ist schön, wenn man ein Tier, das einem gehört hat, vielleicht mal auf einer Weide sieht oder an einer Viehschau.» Und: «Ich mag es jedem gönnen, der einen Weg findet, den Übergang zu schaffen – es ist ein Aufsteller, wenn das gelingt.»