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Hitzewelle in Europa hatte gravierende Folgen

Heissester Juni seit Messbeginn in Westeuropa – deutlich mehr Tote

Der vergangene Monat war der heisseste Juni in Westeuropa seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Folgen sind gravierend.
09.07.2025, 06:5109.07.2025, 06:57
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Bei der extremen Hitzewelle von Ende Juni bis Anfang Juli hat der Klimawandel die Zahl der Todesopfer in europäischen Grossstädten einer Studie zufolge etwa verdreifacht. Das berichtet ein internationales Forschungsteam nach einer Analyse in zwölf Grossstädten.

Die Analyse der Entwicklung vom 23. Juni bis 2. Juli statt. In diesem Zeitraum kletterten die Temperaturen in vielen Städten auf Extremwerte von teils deutlich über 40 Grad Celsius.

epa12222211 A child runs between fountains on a day with very high temperatures in Thessaloniki, Greece, 07 July 2025. Very high temperatures are forecast in Greece until 09 July. The highest temperat ...
Hier stiegen die Temperaturen auf rund 40 Grad: Eine Frau und ein Junge bewegen sich in der Sonne im griechischen Thessaloniki. Bild: keystone

Das Forschungsteam aus Grossbritannien, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz schätzt die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in den zwölf Grossstädten für den Zehn-Tage-Zeitraum auf insgesamt 2300. Etwa zwei Drittel davon, rund 1500, gehen demnach auf das Konto des Klimawandels. Ohne die Erderwärmung, die die Temperatur in den Städten demnach tagsüber um 1 bis 4 Grad zusätzlich steigerte, wären den Berechnungen der Gruppe zufolge in diesen Städten etwa 800 Menschen an Hitze gestorben.

Die weitaus meisten Todesfälle entfielen auf Senioren

Für die sehr zeitnah vorgenommene Analyse habe sich das Team auf eine anerkannte Methodik gestützt, sagt der renommierte Hamburger Klimatologe Jochem Marotzke, der nicht an der Arbeit beteiligt war. Dabei verglich die Gruppe die tatsächlich in den Städten gemessenen Temperaturen in dem Zeitraum anhand eines Modells mit Werten, die ohne den Klimawandel erreicht worden wären. Für beide Szenarien errechnete das Team dann die Zahl der erwarteten Hitzetoten.

Juni 2025 war heissester jemals in Westeuropa gemessener Juni
Der vergangene Monat war nach Angaben des EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus der heisseste Juni in Westeuropa seit Beginn der Aufzeichnungen. Weltweit war der Juni 2025 demnach der drittwärmste Juni.

Knapp dahinter liegt der Juni 2024 und beinahe genauso heiss war der Juni 2023, wie Copernicus am Mittwoch bekannt gab. Damit wurden bereits das dritte Jahr in Folge Rekord-Durchschnittstemperaturen gemessen, während sich die Erde durch die menschgemachten Treibhausgasemissionen weiter erwärmt.

In Europa, das sich doppelt so schnell erwärmt wie der weltweite Durchschnitt, wurden demnach besonders «extreme» Temperaturen gemessen. Der Juni sei geprägt gewesen von zwei aufeinanderfolgenden «aussergewöhnlichen» Hitzewellen - vom 17. bis zum 22. Juni und ab dem 30. Juni - erklärte Samantha Burgess, Klimatologin bei Copernicus. Sie rechnet damit, dass derartige Hitzewellen «häufiger und intensiver auftreten und immer mehr Menschen in Europa betreffen».

In mehreren Ländern stiegen die Temperaturen mehrfach über 40 Grad Celsius, in Spanien und Portugal erreichten sie sogar 46 Grad. Der 30. Juni war laut Copernicus «einer der heissesten Sommertage, die jemals auf dem Kontinent gemessen wurden». (sda/afp)

Unter der jüngsten Hitzewelle litten demnach besonders verletzliche Gruppen wie etwa Menschen mit Vorerkrankungen. 88 Prozent der geschätzten Todesfälle entfielen auf die Altersgruppe ab 65 Jahren, berichtet das Team, dem unter anderem die Attributionsexpertin Friederike Otto vom Imperial College London angehört.

Demnach verursachen Hitzewellen wesentlich mehr Todesfälle als andere Naturkatastrophen. Zum Vergleich: Bei den Überschwemmungen in der spanischen Region Valencia kamen demnach im vergangenen Jahr 224 Menschen ums Leben, bei den Flutkatastrophen 2021, darunter im Ahrtal, starben im nordwestlichen Europa 243 Menschen.

A woman and a kid off cool off in a water-jet fountain on the Place des Nations, during a heatwave alert, in Geneva, Switzerland, Wednesday, July 2, 2025. (KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi)
Abkühlung bei einem Brunnen in Genf: Am gefährlichsten ist die Hitze für Senioren und Menschen mit Vorerkrankungen.Bild: keystone

Kleine Differenz kann Unterschied zwischen Leben und Tod machen

Die untersuchten zwölf Städte waren in unterschiedlichem Ausmass von den Folgen der Hitzewelle betroffen: Demnach entfielen knapp 320 der durch den Klimawandel zusätzlich entstandenen Todesfälle auf Mailand, 286 auf Barcelona, 235 auf Paris und 171 auf London. In Frankfurt liegt die Zahl mit 21 zusätzlichen Todesopfern vergleichsweise niedrig.

Gerade weil Opfer von Hitzewellen eher wenig öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, spricht das Team von einem «lautlosen Killer». «Hitzewellen hinterlassen keine Schneise der Verwüstung wie Flächenbrände oder Stürme», erklärt Co-Autor Ben Clarke vom Imperial College London. «Ihre Folgen sind überwiegend unsichtbar, aber im Stillen verheerend. Eine Differenz von nur 2 bis 3 Grad Celsius kann für Tausende von Menschen den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.»

Als Folge des Klimawandels ist die globale Temperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bereits um 1,3 Grad gestiegen, wobei Europa gerade im Sommer stärker betroffen ist als andere Kontinente. Clarke verweist darauf, dass im Lauf des 21. Jahrhunderts 3 Grad Unterschied erreicht werden könnten, sofern die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle oder Gas nicht ende. Dies würde noch weit heftigere Hitzewellen mit sich bringen.

«Extreme Hitze, die früh eintritt, ist besonders tödlich»

Das Team betont, sich in der Studie auf Todesfälle konzentriert zu haben. Zusätzlich gebe es weitere Folgen – von Krankenhauseinlieferungen, etwa von Menschen mit Asthma oder Lungenerkrankungen, über Schulschliessungen bis hin zu Arbeitsausfällen, dem Abschalten von Atomkraftwerken und einer höheren Zahl an Flächenbränden aufgrund der durch die Hitze ausgedörrten Vegetation.

«Der einzige Weg zu verhindern, dass Hitzewellen noch tödlicher werden, besteht darin, das Verbrennen fossiler Kraftstoffe zu stoppen», betont Co-Autorin Otto. Zudem gelte es, erneuerbare Energien auszubauen, Städte hitzeresistenter zu gestalten und die ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen zu schützen.

epa12202704 People cool off at the beach during a heat wave in Oeiras near Lisbon, Portugal, 28 June 2025. EPA/ANTONIO COTRIM
Menschen suchen Abkühlung im Meer in der Nähe von Lissabon. Portugal und Spanien ächzten unter Temperaturen von bis zu 46 Grad.Bild: keystone

Auslöser der jüngsten Hitzewelle war ein Hochdruckgebiet über Westeuropa – ein sogenannter Hitzedom – mit trockener heisser Luft, das sich nach Osten verlagerte und dabei heisse Luft von Nordafrika nach Europa fliessen liess. Solche meteorologischen Konstellationen würden mit dem Klimawandel häufiger und ausgeprägter, schreibt die Gruppe.

Europa sei im Sommer der sich am stärksten erwärmende Kontinent, heisst es weiter. Im Sommer 2022 starben dort demnach mehr als 60'000 Menschen an Hitze – die Hälfte davon ging Studien zufolge auf das Konto des Klimawandels. Im Folgejahr gab es demnach 47'000 Hitzetote.

Eine Besonderheit der jüngsten Hitzewelle war das besonders frühe Auftreten schon im Juni. «Extreme Hitze, die früh in der Jahreszeit eintritt, ist tendenziell besonders tödlich, weil die Menschen noch nicht an die Sommertemperaturen gewöhnt sind», heisst es.

«Kein Zweifel, dass Hitzewellen häufiger und intensiver werden»

Marotzke spricht von einer «sehr gut gemachten Studie». Dass eine wissenschaftliche Analyse so schnell auf ein Ereignis folge, sei zwar ungewöhnlich, aber angesichts des Informationsbedürfnisses gut und richtig, sagt der Direktor am Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie, der nicht an der Studie beteiligt war. «Gerade in Hinblick auf Temperaturentwicklungen sind unsere Modelle sehr gut», bei Niederschlägen sei dies weniger der Fall.

«Es gibt keinen Zweifel daran, dass Hitzewellen mit dem Klimawandel häufiger und intensiver werden», sagt der Klimatologe. Darauf seien deutsche Städte unzureichend vorbereitet: Als Beispiele nennt er viele verglaste und nicht abgeschattete Gebäude, zu wenig begrünte und zu viele versiegelte Flächen. (sda/dpa)

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294 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Violett
09.07.2025 07:33registriert Juni 2020
Empathie ist unumgänglich um den Klimawandel anzunehmen. Solange aus dem Wasserhahnen Wasser fliesst und die Klimageräte die Häuser und Räume kühlt, wird es Menschen geben die es nicht erkennen wollen oder können. Es ist zu Heiss, dass ist ein Fakt. Wir alle können und müssen etwas dazu beitragen.
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René Obi (1)
09.07.2025 07:00registriert Januar 2016
Wenn man bedenkt, wie vorsichtig die Wissenschaft ist bei der Veröffentlichung solcher Aussagen… 5 vor 12 ist längst vorbei.
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Auster N
09.07.2025 08:33registriert Januar 2022
Nächstes Jahr wird es heisser. Lebt damit. Es ist allen egal.
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