Blaulicht
Ostschweiz

Hat ein Wirt im Thurgau seine Freundin erschlagen oder ist sie gestürzt?

Indizienprozess 

Hat ein Wirt im Thurgau seine Freundin erschlagen oder ist sie gestürzt?

Für die Anklage ist klar, dass der Mann seine Lebenspartnerin in einem Streit erschlagen hatte und danach in ihr Bett legte. Eine Zeugin sagt aus, der Wirt habe in der Nacht, als seine Lebenspartnerin ums Leben kam, bei ihr übernachtet.
19.05.2014, 11:2319.05.2014, 17:36
Mehr «Blaulicht»

Ein 59-jähriger Wirt aus Tägerwilen TG muss sich seit Montagmorgen vor dem Bezirksgericht Kreuzlingen verantworten. Dem Beizer wird vorgeworfen, im Oktober 2011 seine Lebenspartnerin getötet zu haben. Angeklagt ist der Wirt der vorsätzlichen Tötung. Die Staatsanwaltschaft Kreuzlingen beantragt laut Anklageschrift eine Freiheitsstrafe von neun Jahren für den Mann. Doch um die Strafzumessung ging es am Montag an Schranken noch nicht.

Denn das Bezirksgericht folgte dem Antrag der Verteidigung, in einem ersten Teil der Gerichtsverhandlung einzig in der Schuldfrage zu entscheiden. Das heisst konkret: Erst nach einem allfälligen Schuldspruch wird über die Strafe für den Angeklagten verhandelt. 

Opfer sturzbetrunken

Für die Anklage ist klar, dass der Wirt seine um zwölf Jahre jüngere und alkoholkranke Lebenspartnerin in einem Streit am Fusse einer Treppe «totgeprügelt» hatte, wie es die Staatsanwältin vor Gericht formulierte. Sie stützte sich in ihrer Argumentation auf Indizien, die keine plausibel erklärbare Nichttäterschaft des Mannes zuliessen.

Der Mann habe seine Lebenspartnerin an einem Freitagmorgen im Treppenhaus in einer «Anwandlung von Brutalität» geschlagen und getreten und die schwer verletzte oder tote Frau ins Bett gelegt. Die Frau habe 3,6 Promille Alkohol intus gehabt und sei derart schwer verletzt gewesen, dass ein Treppensturz, wie dies der Angeklagte am Telefon an die Notrufzentrale geschildert hatte, unmöglich gewesen sei; ein Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin (IRM) in St. Gallen zeige dies, sagte die Staatsanwältin vor Gericht.

«Ich habe keine Ahnung» 

Der Angeklagte, der nach dem Tod seiner Lebenspartnerin 93 Tage in Untersuchungshaft sass und heute wieder im gleichen Restaurant in Tägerwilen wirtet, sagte, er wisse nicht, wie seine Partnerin ums Leben gekommen sei: «Ich habe keine Ahnung.» Den Fragen der Gerichtsvorsitzenden wich der ruhig wirkende Mann oft aus. 

Er habe in der Nacht vor dem Tod seiner Lebenspartnerin, mit der er 18 Jahre zusammen gewesen sei, mit Gästen in der Wirtschaft gezecht. Gegen 3.45 Uhr sei er dann aber nicht in die Wirtewohnung direkt über der Gaststube zu seiner Freundin gegangen, sondern zu einer Frau, mit der zuvor getrunken habe. Um 7.30 Uhr sei er heimgegangen. 

Bei der Heimkehr habe er festgestellt, dass seine Freundin an der Augenbraue verletzt war. Er habe die Wunde gereinigt und seine sturzbetrunkene Partnerin gefragt, ob er einen Krankenwagen herbeirufen soll. Als sie Nein sagte, sei er in die Wirtschaft gegangen und habe Brötchen gestrichen und Kaffee gekocht. 

Rund zwei Stunden später habe er dann nochmals nach seiner Freundin schauen wollen, weil ihm die Frau «nicht egal gewesen» sei. Als er sah, dass es der betrunkenen Frau noch schlechter ging als bei seiner Heimkehr, rief er bei der Notrufzentrale an und sagte, seine Partnerin sei am Kopf verletzt; sie sei die Treppe hinuntergestürzt. 

Freispruch gefordert

Der Verteidiger des Wirts plädierte auf einen vollumfänglichen Freispruch. Die von der Anklage vorgebrachten Indizien ergäben kein Mosaik, das Sinn mache, sagte der Verteidiger des 59-jährigen Wirtes. Der Anwalt kritisierte auch die Arbeit der Ermittlungsbehörden und des Instituts für Rechtsmedizin in St. Gallen. Eine Augenbraue des Opfers, die im Teppich am Fuss der Treppe gefunden worden war, könne auch bei einem Sturz abgerissen worden sein, sagte der Verteidiger.

Doch ein Sturz wurde von den Ermittlern ausser Betracht gelassen. Sämtliche von der Staatsanwaltschaft gegen seinen Mandanten vorgebrachten Indizien stünden auf wackligen Beinen. Der Verteidiger forderte für seinen Mandanten 28'000 Franken Schadenersatz für seinen Erwerbsausfall während der Untersuchungshaft und 18'600 Franken Genugtuung. 

In seinem Schlusswort sagte der Angeschuldigte: «Ich habe die Frau nicht umgebracht; so etwas käme mir niemals in den Sinn». Das Urteil des Bezirksgerichts Kreuzlingen steht noch aus. (whr/sda) 

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!