Anzug, Brille, kurze Haare: K. C.* ist ein unauffälliger Mann – bis auf die Handschellen und die polizeiliche Begleitung: Mit hängenden Schultern sitzt der Grieche auf der Anklagebank des Bezirksgerichts Bülach. Der 35-Jährige muss sich für ein Verbrechen verantworten, das an Brutalität kaum zu überbieten ist.
Es geschieht im Februar 2013: Zu diesem Zeitpunkt ist C. bereits seit mehreren Wochen Chauffeur und Handlanger seines späteren Opfers I. H.* – ein Schweizer mit chinesischer Herkunft. Dieser betreibt in Kloten eine Indoor-Hanfanlage. Dort kommt es eines Abends zu einem heftigen Streit. Dabei ergreift H. einen Hammer aus einer Werkzeugkiste und versucht, den Griechen zu schlagen.
Es kommt zur Rauferei. C. entreisst H. den Hammer und schlägt mehrmals auf den Kopf des Mannes ein. Dann bindet er seinem wehrlosen Opfer die Hände auf dem Rücken zusammen, legt ihm ein Kabel um den Hals und hängt ihn mit einem Seilzug auf.
Laut Anklageschrift stirbt der 28-Jährige an einer Kombination von schweren Schädelverletzungen und Ersticken durch Erhängen. Nach der Tat geht C. in die Wohnung des Chinesen und stiehlt 34’000 Franken. Vier Tage später wird er von der Polizei verhaftet. Schon bei der ersten Einvernahme gesteht er alles. An seiner Schuld ist deshalb nicht zu rütteln – am Strafmass hingegen schon: Während die Staatsanwältin, Bettina Groth, 17 Jahre wegen vorsätzlicher Tötung fordert, plädiert die Verteidigung auf nur sechs Jahre Haft wegen Totschlags.
Der Angeklagte habe in vollem Bewusstsein gehandelt, sagt die Staatsanwältin. «Er gab an, Angst gehabt zu haben, dass H. noch nicht tot sei nach den Hammerschlägen, und habe deshalb sichergehen wollen», so die Staatsanwältin. Um eine Affekthandlung könne es sich deshalb nicht handeln. «Im Gegenteil: Die Gedanken von C. wurden während der Tat kontrollierter, konsistenter und zielgerichteter», sagt die Staatsanwältin. Strafmildernde Umstände sieht sie deshalb keine. Groth: «Der Angeklagte ist voll schuldfähig.»
Dem entgegen hält die Verteidigerin, dass ihr Mandant aus Zweifel und in Todesangst gehandelt habe. «Es war eine Notwehrsituation. Allerdings hat der Beschuldigte das Mass der Abwehr übertrieben», so die Verteidigerin. Er habe zwar klar ausgesagt, dass er letztlich den Tod des Opfers in dieser Situation gewollt habe. Doch es müsse berücksichtigt werden, dass das Opfer seinerseits mehrmals Todesdrohungen gegen C. und dessen Familie ausgesprochen habe.
«H. akzeptierte es nicht, dass C. aus dem Hanfgeschäft aussteigen wollte. Er nahm ihn nicht ernst. Das frustrierte C.», sagt die Verteidigerin. Die Tat sei nicht egoistisch gewesen. Vielmehr hätte der Angeklagte, Vater zweier Kinder, seine Familie verteidigen wollen. Die schwierige finanzielle Lage des Beschuldigten und der Umstand, dass sein eigener Vater zu dieser Zeit krank gewesen sei, was ihm stark zugesetzt habe, und die Tatsache, dass C. süchtig nach Cannabis sei, seien zusätzlich zu berücksichtigen.
Auf diese Einwände der Verteidigerin reagierte die Staatsanwältin harsch: «Diese Strafmilderungsgründe sind absurd», entgegnete Groth. Die Verteidigung versuche, den Täter zum Opfer zu machen.
Die Angehörigen des Opfers, die an diesem Tag nach Bülach gereist sind, dürfte die Paragraphenschleuderei der Juristen kaum interessieren. Sie sitzen hinter dem Angeklagten, ein Foto des Opfers in den Händen. «Sie werden nie wirklich verstehen, was sich an jenem Abend in Kloten wirklich zugetragen hat», sagt die Anwältin der Familie vor Gericht.
Heute hat der Angeklagte der Familie einen Brief überreichen lassen. Es tue ihm unendlich leid, sagt C. vor Gericht. «Ich würde es gerne rückgängig machen, aber ich weiss, dass das nicht geht.» Er wolle kein Mitleid, so C., er wisse, dass er für seine Tat geradestehen müsse. Dann bricht seine Stimme. «Ich wünschte, es wäre nicht passiert.»
*Namen geändert