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Briefe von der Heimatfront

Die Vielfalt unserer Schweizen

Briefe von der Heimatfront (7)

Die Vielfalt unserer Schweizen

07.03.2014, 15:3828.03.2014, 15:34
Leo Fischer
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Gross ist die unerwiderte Liebe der Deutschen zur Schweiz, so gross, dass sie immer wieder Kopien des Originals in Umlauf bringen. Knapp siebzig verschiedene Regionen in Deutschland vergleichen sich mit dem Gelobten Land; die Sächsische Schweiz, die Fränkische Schweiz und die Märkische Schweiz sind nur die bekanntesten Imitate. Und doch haben ein unbarmherziges Regionalmarketing sowie eine erstaunlich gering ausgeprägte Markenaufsicht der Originalschweizer Gebilde wie die Elfringhauser Schweiz, die Kroppacher Schweiz und die Horster Schweiz hervorgebracht. Was sucht der Deutsche in diesen Regionen? 

Der Bamberger Kunstfreund Joseph Heller schrieb über die Fränkische Schweiz: «Was die Schweiz im Grossen gibt, findet man hier in verjüngtem Massstabe, und oft für das Auge angenehmer, indem man es überschauen und als ein Bild auffassen kann, statt dass dort in manchen Gegenden der winzige Mensch die Grösse der Natur nicht zu sehen vermag, und von den ungeheuern Felsenmassen gleichsam erdrückt wird.» 

«Was die Schweiz im Grossen gibt, findet man hier in verjüngtem Massstabe, und oft für das Auge angenehmer»

Hier findet man also das kleine Land noch einmal angenehm verkleinert vor, und auch die Schweizen selbst segmentieren sich noch einmal, wie schon Fontane notierte: «Die Schweizen werden jetzt immer kleiner, und so gibt es nicht bloss mehr eine Märkische, sondern bereits auch eine Ruppiner Schweiz.» So klein sie auch sind, zu gucken gibt es überall etwas: Wo die Sächsische Schweiz etwa mit einem traditionsreichen Skinhead-Verein aufwarten kann, gilt in der Märkischen Schweiz der Zug der Saat- und Blässgänse als Naturschauspiel, nicht unähnlich dem Zug der Saisonarbeiter durch die Hauptschweiz. 

Wer auf den 188 Meter hohen Gersberg klettert, kann staunend die Borgloher Schweiz betrachten, bzw. die gnadenlose Tristesse der Region, die man zynischerweise so genannt hat, wohingegen die Gifhorner Schweiz Fachwerkelend und Heideödnis zu einem einzigartigen Spektrum der Verschnarchtheit verbindet. In der Lippischen Schweiz hingegen sucht der Germane vor allem nach sich selber: Cheruskerweg, Runenweg und Hermannsdenkmal sorgen dafür, dass die Gedanken nicht allzu sehr ins Fremdländische abdriften. 

Der Trend, unwirtliche oder unerfreuliche Gegenden durch Schweizerisierung aufzuwerten, hat umgekehrt wohl keine grosse Chance: Abgesehen von Büsingen wird es wohl in nächster Zeit keine Schweizer Mini-Deutschlands geben. Andererseits könnte man in der Schweiz natürlich die Attraktivität von Gebieten, wo gerade der deutsche Zuzug begrenzt werden soll, auf diese Weise senken: der Thurgauer Pott, Kleinschwaben nahe Zermatt und schliesslich das Osnabrücker Oberland rund um St. Gallen könnten hier schnell wirksam werden.

Leo Fischer
Der ehemalige Chefredaktor vom Satiremagazin «Titanic» schreibt jede Woche einen «Brief von der Heimatfront». Er liefert den deutschen Invasoren in der Schweiz Schlachtpläne, wie sie die deutsche Dominanz in den Universitäten oder dem Gesundheitswesen noch stärker durchsetzen und festigen können. Er wird aber auch seinen Landsleuten mit ordentlich Humor grob aufs Dach hauen. 


Hier schreibt Leo Fischer auch: Titanic
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