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Autobesitz in der Schweiz: Braucht wirklich jeder ein Auto?

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Bild: Shutterstock
Madame Energie

Braucht man zum Leben ein Auto? Ein kurzer Realitäts-Check

Als Madame Energie nimmt es mich wunder, wie Familien ohne Auto ihren Alltag meistern. Von Realitäts-Ohrfeigen, Notfällen und Nächstenliebe – und den Kosten.
06.11.2024, 16:1708.11.2024, 19:33
Sabina Galbiati
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Dieser Blog ist eine Contentpartnerschaft mit EnergieSchweiz. Die Beiträge werden von der freischaffenden Journalistin Sabina Galbiati verfasst.

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Es handelt sich nicht um bezahlten Inhalt.

Als einstiges Landkind habe ich das Autofahren geliebt! Die Geschwindigkeit, die Unabhängigkeit, der Fahrtwind bei offenem Fenster. Dann zog ich fürs Studium nach Zürich, wurde ein Stadtkind und tauschte das Auto (meiner Eltern) gegen ein graues Occasionsvelo. Ich liebe das Velofahren! Die Geschwindigkeit, die Unabhängigkeit, der Fahrtwind.

Ich habe in meinem Leben noch nie ein Auto besessen. Für mich ist das easy, ohne Kids und in der Stadt. Der Dökti, die Entsorgungsstelle, das Gopigi – alles ist zu Fuss erreichbar oder mich fahren gefühlt 400 Busse und Trams alle zwei Minuten hin.

Manchmal wünsche ich mir ein Auto – und wie!

Aber da gibt es diese Momente. Zum Beispiel, wenn ich in den Aargau muss, oder ich meine Familie im sogenannten Talkessel am Vierwaldstättersee besuche (ein Freund fragte mich tatsächlich mal, ob das da sei, wo man Katzen brätled): Dann hat das Velo einen Platten, das Tram fährt vor der Nase weg, der Zug hat Verspätung.

«In solchen Situationen träume ich mich ins Auto und flitze davon.»

In solchen Situationen träume ich mich ins Auto und flitze davon. Ja, manchmal wünsche ich mir sehr fest ein Auto. Dann stelle ich mir vor, wie die mühsamsten Reisen plötzlich ganz einfach wären.

Und dann kommt die Realitäts-Ohrfeige

Doch dann ploppen in meinem Kopf Stadtverkehr, Staus, Parkplatzsuche und -kosten, Versicherung, Steuern, Reifenwechsel, Service und Kontrollen beim Verkehrsamt auf und ich steige in den Zug.

Als Madame Energie geht mir natürlich durch den Kopf, dass ich so ziemlich viel Energie (und Emissionen) spare. Ich hab das in einem der letzten Beiträge mal fürs Einkaufen mit und ohne Auto aufgedröselt.

*Dieser Blogbeitrag ist bereits letzte Woche veröffentlicht worden. Aus technischen Gründen wird er nun erneut angezeigt.

Die wirklich grosse Frage:

Wie machen das Familien mit kleinen oder weniger kleinen Kindern, wenn sie ohne Auto leben? Dafür habe ich in meinem Umfeld rumgefragt. Fazit: Leben ohne Auto heisst gar nicht, ohne Auto leben.

Leben ohne Auto im 1200-Seelen-Dörfli

Da gibt es zum Beispiel diese Familie in einem munzigen Dorf ohne Einkaufsmöglichkeiten, ohne Arztpraxis und ohne Auto-Miet-Standort. Zwei Kinder, 13 und 15, beide Eltern arbeiten ausserhalb. Sie leben seit über zehn Jahren autofrei. Ursprünglich in der Stadt war das easy. Doch jetzt, in diesem Dorf ohne nichts, sei es schon komplizierter geworden, verrät mir der Vater. Einkaufen mit E-Bike und Anhänger zwei Dörfer weiter geht gut, der Arztbesuch im Ernstfall eher nicht.

Der Schlüsselmoment

Als seine Frau eines Tages ernsthaft erkrankte, musste er die Nachbarn um eine Autofahrt zum Arzt bitten (in der Schweiz wohl fast ein Unikum). «Aber das hat im Nachhinein viel ausgelöst», erzählt er.

Was mich an seiner Erzählung berührt: Nach dem Vorfall mit seiner Frau habe er mit seinen Nachbarn gesprochen, die sie teils gar noch nicht richtig gekannt hätten. «Alle waren sehr offen und interessiert an unserer Lebensweise ohne eigenes Auto. Für den Ernstfall hatten wir danach drei Backups, wo wir klingeln durften und entweder gefahren wurden oder das Auto ausleihen konnten», erzählt er.

Er habe sich am Anfang überwinden müssen, danach zu fragen, sei ja schliesslich untypisch schweizerisch. «Aber dann zeigte sich, die Fremdlinge von nebenan sind super offen und cool.» Um Hilfe zu bitten, bringt die Menschen näher zusammen, könnte man daraus schliessen.

Jetzt wird geteilt!

Später bot eine andere Nachbarin an, ihr Auto zu teilen. Sie ist 75 Jahre alt und braucht es sehr selten. «Dafür haben wir einen Vertrag abgeschlossen und zahlen ihr einen Preis pro Kilometer. Beim VCS gibt’s dafür Vertragsvorlagen», erzählt mir der Vater.

Bereut haben sie das «autofreie» Leben nie. «Für uns war es ein Experiment. Wir wussten, wenn es nicht geht, können wir jederzeit wieder ein Auto kaufen», sagt er.

Und wie ist das so mit dem Geld?

Ein Mobilitätsexperte erklärte mir das vor einiger Zeit so: Viele Menschen rechnen nur mit den Benzinkosten für das Auto, denken aber nicht an die Kosten für Service, Reifenwechsel, Parkplatz, Versicherungen, Steuern und natürlich die Amortisation. Zum Vergleich: Ein Familien-GA für beide Elternteile und zwei Kinder (6 –16 Jahre) kostet insgesamt 7700 Franken im Jahr. Kids bis 6 Jahre fahren gratis. Klar kommen noch Kosten für eigene Velos, Carsharing oder etwa mal ein Taxi dazu.

Doch umgekehrt haben Autobesitzer zu Hause auch Velos stehen und gerade in der Familie nutzt man gelegentlich oder sogar häufig zusätzlich den ÖV und hat dadurch ebenfalls Ausgaben. Man lebt mit Auto also eher teurer als ohne.

Die Familie im Dörfli kann das bestätigen. «In den ersten Jahren fiel ein grosser finanzieller Posten weg. Aber das gesparte Geld gaben wir mit der Zeit für bessere Velos aus oder kauften eher wieder beim guten Metzger und Bäcker ein», sagt der Vater.

Lieber mit den Kids Quatsch machen

Was laut Mobilitätsexperte auch gerne vergessen geht, ist die Quality Time. Eine Umfrage unter autolosen Eltern zeigte, dass sie es schätzen, wenn sie sich im Zug oder Bus auf ihre Kinder konzentrieren und mit ihnen Zeit verbringen können, statt beim Autofahren auf die Strasse achten zu müssen. «Es ist aber schon so, dass man sich der sozialen Norm und der Gewohnheit, ein Auto zu besitzen, erst mal aktiv entgegenstellen muss», lautet das Fazit des Experten.

Das klingt alles vielversprechend, aber wie ist das bei euch? Kommt ihr ohne Auto aus oder warum eben nicht? Was schätzt ihr am autofreien Leben und was nicht? Ab damit in die Kommentarspalte!

Sabina Galbiati

Über die Autorin

Sabina Galbiati ...
... ist freie Journalistin, Bloggerin und Autorin. Am liebsten schreibt sie Geschichten über inspirierende Menschen und über die simplen Dinge, die uns im alltäglichen Leben bewegen. Als «Die Nachhalterin» hat sie auf «watson.ch» bereits über Klima- und Umweltschutz im Alltag gebloggt. Als «Madame Energie» widmet sie sich nun dem Energiesparen innerhalb und ausserhalb ihrer vier Wände und berichtet von den ganz alltäglichen Herausforderungen und Diskussionen, die sie dabei erlebt. Wie immer tut sie das mit einer Prise Humor.
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45 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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arowa
07.11.2024 06:32registriert April 2023
Die meisten *wollen* ein Auto, weil es bequem ist und/oder Zeit spart.
Wenn man 30min pro Arbeitsweg spart, ist man nicht "darauf angewiesen". Es ist lediglich angenehmer.
So ehrlich könnte man sein.

Aber was bitteschön ist ein Gopigi?
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