Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Okay, ich gebe es zu, ich habe dieses Sprichwort selber erfunden. Aber es ist wirklich so: Nirgends ist das Trampen mühsamer als auf vielbefahrenen Strassen.
Auf ruhigen Landstrassen ist die Erfolgsquote deutlich höher. Dort scheinen sich viele Fahrer für mein Schicksal verantwortlich zu fühlen. So nach dem Motto: Wenn ich ihm nicht helfe, wer dann?
Auf diese Theorie vertrauend, habe ich diese Woche in Laos mein Glück herausgefordert. Die Ausgangslage war einfach zu verlockend: Da ist diese 7,5 Kilometer lange Höhle, die nur auf einem kleinen Boot durchquert werden kann, und auf der anderen Seite wartet diese Strasse, die weder im Reiseführer noch auf Google Maps eingezeichnet ist.
Unbekanntes Land – was gibt es Spannenderes?
Einzig auf der genialen Offline-Karten-App Maps.me ist der Weg, der beim Höhleneingang endet, ersichtlich.
Zwar sagt Maps.me, dass die 57 Kilometer lange Strecke bis zur nächsten grösseren Strasse nur zu Fuss zurückgelegt werden kann, aber daran glaube ich nicht so recht. Zumindest Motorräder finden doch immer einen Weg, denke ich mir.
Nach fast 500 Fahrern ist mein Autostopp-Selbstvertrauen beinahe grenzenlos – oder habe ich bereits die Grenze zur Überheblichkeit überschritten?
Die Fahrt durch die stockfinstere Höhle beginnt unerwartet turbulent. Der Blitz meiner Kamera bringt den Fahrer derart aus dem Konzept, dass er das kleine Holzboot frontal gegen die Höhlenwand steuert. Der Aufprall ist heftig, doch das Boot – und wir – kommen unbeschadet davon.
Der Fahrer bittet mich daraufhin, das Blitzen zu unterlassen. Anschliessend kurvt er gekonnt durch die Dunkelheit, als Orientierungshilfe dient ihm einzig eine Stirnlampe.
Beim Höhlenausgang stehen drei Essensstände, ich bin der einzige Kunde. Die Verkäuferinnen begrüssen mich freundlich. Sie sind aber einigermassen verwirrt, als ich ihnen sage, dass ich nicht zurück in die Höhle will, sondern meine Reise auf dieser Seite fortsetzen werde.
«No bus», warnen sie mich. «No problem», antworte ich lächelnd. Dann laufe ich mit meinem 20-Kilo-Rucksack los.
Die unbekannte Strasse ist nicht geteert, aber breiter, als ich erwartet habe. Vor den bewaldeten Kalksteinhügeln, die senkrecht in die Höhe ragen, stehen vereinzelt Holzhäuser. Sie sind sehr einfach, jedoch in erstaunlich gutem Zustand.
Eine Entenfamilie watschelt gemütlich über die Schotterstrasse und ein Wasserbüffel schaut mich verwundert an. «Was willst du denn hier?», lese ich aus seinen Augen.
Die Sonne brennt so unbarmherzig herunter, dass ich bereits nach 20 Minuten patschnass bin. Dann höre ich hinter mir Motorenlärm, ein älterer Herr fährt mit seinem Roller auf mich zu. Ich wedle mit dem rechten Arm, er hält an. Ich setze mein freundlichstes Gesicht auf, doch er mustert mich mit einem ähnlich verständnislosen Blick wie zuvor der Wasserbüffel.
«Ban Nabon, Ban Nathon, Ban Mouangkhai?», frage ich hoffnungsvoll. So heissen gemäss Smartphone-Karte die nächsten Dörfer.
Keine Regung.
«Just this way, this way!», sage ich, zeige dabei in die entsprechende Richtung und dann auf seinen Roller. Endlich: ein Schmunzeln. Er amüsiert sich wahrscheinlich vor allem wegen meiner Gestik, aber ich interpretiere das als Zeichen, dass ich aufsteigen darf.
Doch bereits nach fünf Kilometern hält er in einer kleinen Häuseransammlung wieder an. Ich steige ab und bedanke mich, er schaut mich nur grinsend an. Wenige Meter weiter sitzen in einem Garten rund zwei Dutzend Leute, sie winken mich zu sich. «Wedding, wedding», sagt mir einer, der ein bisschen Englisch spricht.
Ich schaue in die Runde, wundere mich über die sehr legere Kleidung der Anwesenden und frage nach dem Brautpaar. Vergeblich. Als ich erkläre, dass ich weder Motorrad noch Fahrrad dabei habe, ernte ich erneut ungläubige Blicke – und bekomme ein Bier.
Die Unterhaltung mit Händen, Füssen und zum Teil sehr angetrunkenen Gesprächspartnern ist anstrengend, zudem bin ich noch nicht weit gekommen. Nachdem ich ein paar Postkarten aus der Schweiz verteilt und das Mittagsbier getrunken habe, will ich mich deshalb wieder verabschieden. Doch Aule, der junge Mann, der ein bisschen Englisch spricht, hält mich zurück: «Du kannst mit mir mitfahren.»
Ich nehme das Angebot gerne an, auch wenn ich nicht herausfinde, wie weit Aule muss. Die Dörfer werden selten so ausgesprochen, wie ich das aufgrund der Buchstaben vermute. Doch die Richtung stimmt, das ist die Hauptsache.
Ab und zu überholen wir einen Mini-Traktor, von Zeit zu Zeit kommt uns ein Roller entgegen, einmal sogar ein Pick-up-Truck. Die Strasse ist nach wie vor erstaunlich gut, sofern sie nicht gerade von einem Bach geteilt wird.
Ich freue mich über jedes Dörfchen, das wir durchqueren, ohne dass Aule anhält. Als wir am Strassenrand auf Aules Bruder treffen, erwarte ich schon das baldige Ende der gemeinsamen Reise. Doch Aule fährt weiter und weiter.
Am Ende sitze ich fast fünfzig Kilometer hinten auf seinem Roller, dann erreichen wir eine geteerte Hauptstrasse. Jackpot!
Die Chance, per Autostopp von Zürich direkt nach Genf zu gelangen, schätze ich etwa gleich hoch ein, wie in einer so verlassenen Gegend mit nur einem Fahrer so weit zu kommen.
Die letzten 15 Kilometer bis zu meinem Tagesziel sind dann nur noch Formsache. Der zweite Pick-up-Truck, der vorbeikommt, nimmt mich mit. Von vier Fahrzeugen haben an diesem Tag drei angehalten, das entspricht einer Erfolgsquote von 75 Prozent.
Die alte Autostopp-Weisheit hat sich also wieder einmal bewahrheitet, mein Autostopp-Selbstvertrauen bleibt unerschüttert – und die Welt ist toll!