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«Kommt eine neue Betrugsmethode bei uns an, ist es bereits zu spät»

Illustration von Irene Schneider, Ermittlerin Wirtschaftsdelikte und Cyberkriminalität, Zuger Polizei
Irene Schneider von der Zuger Polizei ist auf Fälle mit Bezug zu Kryptowährungen spezialisiert.Bild: Flavia Parli
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«Kommt eine neue Betrugsmethode bei uns an, ist es bereits zu spät»

Irene Schneider wollte bereits als Kind für «das Gute» arbeiten. Insofern klingt ihr Berufsweg hin zur Ermittlerin in Cyber- und Wirtschaftsdelikten bei der Zuger Polizei schon fast wie ein jahrelang verfolgter Geheimplan. Spoiler: Es war doch nicht ganz so. Auf die Spur brachte sie eine FH-Weiterbildung.
08.09.2025, 14:1108.09.2025, 14:11
guy studer
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Die Realität zeigt: Onlinebetrug kann praktisch jedem von uns passieren. Und tut es auch. Ob eine etwas komische Twint-Überweisung über einen online-Marktplatz oder eine scheinbar seriöse Anlage in Kryptos mit doch gar guten Gewinnversprechungen. Fälle dieser Art landen auf dem Pult von Irene Schneider. Sie ist seit 2022 Ermittlerin Cyber- und Wirtschaftsdelikte bei der Zuger Polizei. Ihren Weg dazu fand sie über eine Master-Weiterbildung an der Hochschule Luzern.

Sie sind aus der Privatwirtschaft zu den Strafverfolgungsbehörden hinübergewechselt. Was gab den Anlass?
Irene Schneider: Eigentlich wollte ich schon als Kind immer zur Polizei gehen. Nach der Schule absolvierte ich dann aber das KV und gelangte so in die Privatwirtschaft. Während meines späteren Wirtschaftsstudiums an der Hochschule für Wirtschaft Zürich kreiste dann die Frage in mir, in welche Richtung es nun weitergehen könnte. Als ich die Weiterbildung MAS Economic Crime Investigation an der Hochschule Luzern sah, war ich direkt wieder bei meinem ursprünglichen Kindheitswunsch. Es war dieses Gefühl, für «das Gute» zu arbeiten und etwas Sinnstiftendes zu machen.

Und wie kamen Sie zu den Strafverfolgungsbehörden?
Noch während der Weiterbildung wurde meine heutige Stelle bei der Zuger Polizei frei, ich bewarb mich und so hat sich das perfekt ergeben.

Nach Ihrer Tätigkeit im Risk Management und in der Compliance hatten Sie wohl bereits eine Ahnung von Wirtschaftskriminalität.
Meine vorherigen Stellen habe ich damals nicht so bewusst ausgewählt. Dennoch habe ich tatsächlich das Gefühl, dass mich jede Station gewissermassen auf das, was ich heute mache, vorbereitet hat. Sowohl das Wissen aus der Wirtschaftsprüfung als auch vom Projektmanagement, welches ich heute im Fallmanagement nutzen kann. Vieles davon hilft mir heute. Das nennt sich wohl glückliche Fügung.

Irene Schneider, Zuger Polizei
Irene SchneiderBild: zvg
«Noch während der Weiterbildung wurde meine heutige Stelle frei.»
Irene Schneider

Mit was für Fällen beschäftigen Sie sich?
Wirtschafts- und Cyberkriminalität bilden bei uns einen gemeinsamen Dienst, dazu zählt auch der Krypto-Bereich. Typische Fälle, die ich bearbeite, sind (Online-)Betrug, Geldwäscherei und Fälle mit Kryptobezug. Zu meiner Arbeit gehört daher auch viel Online-Recherche.

Haben Sie einen Schwerpunkt?
Da ich gerade erst an der ZHAW den CAS in Blockchain & Decentralized Finance abgeschlossen habe, landen viele Fälle, in denen es um Betrug mit Kryptowährungen geht, auf meinem Tisch. In der Regel geht es um Anlageversprechen, die sich als Betrug erweisen.

Was lernt man in der Weiterbildung, die Sie an der HSLU besucht haben? Wie man Verbrecher jagt?
(Lacht) Der MAS ist nicht nur auf Strafverfolgungsbehörden ausgerichtet, sondern auf alle, die mit Wirtschaftskriminalität konfrontiert sind. Zum grossen Teil geht es darum, die Grundlagen und ihre Zusammenhänge zu verstehen. Verschiedene Bereiche werden beleuchtet wie rechtliche Grundlagen, Compliance, Finanzen und Buchhaltung, aber auch Digitale Kriminalität sowie Cybercrime (siehe Box).

Digitale Kriminalität vs. Cybercrime
Digitale Kriminalität und Cyberkriminalität bzw. Cybercrime werden oft als Synonyme verwendet, während bei den Strafverfolgungsbehörden zumeist unterschieden wird. Bei der Zuger Polizei wird von Cybercrime gesprochen, wenn es umgangssprachlich um «Hacker»-Delikte geht, wie Ransomware-Angriffe oder Phishing. Unter den Begriff Digitale Kriminalität fallen hingegen allgemein Delikte, die via Internetkontakt begangen werden, wie zum Beispiel Online-Anlagebetrug oder Romance Scam. Auch das Bundesamt für Statistik verwendet «Digitale Kriminalität» als Oberbegriff für alle Straftatbestände, die im digitalen Raum begangen werden.

Und was lernt man konkret für Ihren Job?
Wir haben praktische Beispiele durchgespielt, etwa, wie man an einen bestimmten Fall herangehen würde. Das vermittelt ein Grundgerüst, sodass man in der Praxis einen Sachverhalt auch strukturieren und einordnen kann. Aber auch Ermittlungsstrategien wurden thematisiert, darunter auch verschiedene Fragetechniken. Hinzu kam der psychologische Teil mit Täterprofilen.

Zug ist als das Schweizer «Crypto Valley» bekannt. Ist Ihr Job hier besonders spannend?
Hinter Online-Betrügern stecken oft international agierende Netzwerke mit professionellen Strukturen. Insofern gelten bei Kryptofällen keine Kantonsgrenzen, nicht einmal Landesgrenzen. Von welchem Kanton aus man diese Verbrechen verfolgt, macht also keinen Unterschied. Diese Ausgangslage macht unsere Arbeit in der Komplexität spannend, aber auch sehr anspruchsvoll. Daher ist so wichtig, am Ball zu bleiben und sich weiterzubilden.

KI entwickelt sich rasend schnell weiter. Hinken Strafverfolgungsbehörden da nicht zwangsläufig hinterher?
Jede technologische Weiterentwicklung, also auch KI und Krypto, bringen Fortschritt und neue Möglichkeiten für uns im Alltag, aber leider auch für kriminelle Aktivitäten. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir uns damit beschäftigen und uns weiterbilden. Das gilt aber nicht nur für Strafverfolgungsbehörden. Gerade mit Prävention kann schon sehr viel erreicht werden. Denn wenn beispielsweise eine neue Betrugsmethode bei uns ankommt, ist es ja schon zu spät und wäre unter Umständen vermeidbar gewesen.

«Bei Kryptofällen gelten keine Kantonsgrenzen, nicht einmal Landesgrenzen.»
Irene Schneider

Der Schwachpunkt also bleibt der Mensch.
Und hier passieren zwangsläufig die Fehler. Deshalb liegt in der Aufklärung und Prävention für uns der grösste Hebel und auch unser Schwerpunkt in der Bekämpfung. Sind wir hier erfolgreich, so lohnt es sich für die Betrüger gar nicht mehr.

Worauf müssen wir uns in der kommenden Zeit in Sachen Digitale Kriminalität und Cybercrime gefasst machen?
Betrüger werden sich jede Technologie zunutze machen, um an Geld zu kommen. Die Täterschaft macht das meist hauptberuflich, geht professionell vor und ist international tätig. Und wie wir möchten sie möglichst effizient sein, deshalb gilt: je einfacher die Gelegenheit, desto eher werden sie diese nutzen. Zunehmen werden wohl Kryptobetrug und Phishing-Versuche.

Kommen auch bei der Zuger Polizei immer mehr Fälle rein?
Leider ist da ein Aufwärtstrend erkennbar.

Das machte nun doch etwas Angst.
Angst zu haben ist falsch. Eine gewisse Skepsis bei Anrufen und Mails ist aber angebracht. Lieber etwas zu vorsichtig sein als umgekehrt, wenn etwas komisch, ungewohnt oder verdächtig erscheint. Am besten immer mit jemandem darüber sprechen oder nochmals darüber schlafen. Nie vorschnell handeln.

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