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Du willst nur das Beste? Voilà:
Ich lese immer wieder, wir seien durch Facebook zu einer Gesellschaft aus Selbstdarstellern verkommen, die so täte, als hätte sie ein perfektes Leben. Ich kann das nicht vollständig nachvollziehen, denn es ist doch völlig offensichtlich, dass Facebook nicht die komplette Realität widerspiegelt und dass man darauf viel eher Positives teilt. Niemand geht hin und berichtet vom letzten Korb oder der letzten Absage, die er eingefangen hat. Aber warum eigentlich?
Hier zeigt sich auf Facebook, was ein genereller Trend zu sein scheint: Es wird (zu) wenig vom Scheitern gesprochen.
Wir sagen zwar nicht, dass wir perfekt sind, lassen aber gerne das, was unschön ist, weg und berichten nur das, was «feiernswert» ist. Und so läuft's eigentlich überall.
Da sind die Geschichten von Frauen, die 50 Kilogramm abgenommen haben, die Storys von Selfmade-Millionären und Start-Up Megaerfolgen. Da sind Liebesgeschichten, wie sie kitschiger nicht sein könnten, und Überlebensstorys von Menschen, die vier Wochen im Dschungel umhergeirrt sind und sich lediglich von Käfern und Engerlingen ernährt haben (Hakuna Matata!).
So etwas liest sich süffig, weckt Staunen und vor allem: Hoffnung. «Das nächste Mal finde ich meinen Traummann per Zufall beim Tupperware-Regal im Migros» oder «Ich schmeisse meinen Job hin und werde Hundemode-Designer – was der in der Zeitung kann, kann ich schon lange!» Und wo Hoffnung an und für sich etwas durchwegs Gutes ist, bleibt ein Problem: Wir bekommen keine Wahrscheinlichkeiten mitgeliefert, mit welchen solche Märchengeschichten passieren. Denn: Von denen, die ihre Diät abgebrochen haben oder die vom hypothetischen Traummann einen Korb bekommen haben oder die mit ihrer Geschäftsidee in den finanziellen Ruin gerannt sind, berichtet niemand.
Wir haben dieses Bild der gelebten Träume, doch viele Träume bleiben unverwirklicht, weil man nicht gut, schnell, clever, verbissen genug ist. Oder auch, weil die Umstände einfach nicht stimmen.
Niemand redet vom Diem, der dem Carpe entkam.
Fakt ist doch: Wir scheitern und wir versagen. Wir hadern und wir brauchen Hilfe. Jede und jeder von uns.
Ich zum Beispiel musste während des Studiums ein Jahr wiederholen, weil ich durch die Prüfungen rasselte. Mein Stolz war zutiefst verletzt. 2013 wurde ich schwer depressiv und wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Da musste ich Hilfe annehmen, was mir anfangs unheimlich schwer fiel – Psychologin hin oder her. Aber ich schaffte es alleine nicht aus der Krise.
Eine Bekannte von mir hat sich Ewigkeiten auf den New York Marathon vorbereitet, war top-motiviert. Der Marathon war ihr Traum. Die Realität? Es war der Horror. Sie hatte Schmerzen, verausgabte sich völlig, schleppte sich ins Ziel und brach dort zusammen. Ihr Gefühl? Nichts. Auch einen Tag später war sie einfach leer und war mit der Aufgabe konfrontiert, mit dieser Leere umzugehen, obwohl sie eigentlich gerade eines ihrer grössten Lebensziele erreicht hatte.
Sogar, wenn man das Angestrebte erreicht, kann die Realität komplett anders aussehen als man es erwartet hätte – doch hören wir immer nur vom Regenbogen und nicht vom Grau, das einen ebenfalls erwarten kann.
Und genau das sind die harten Realitäten des Lebens. Auf A folgt nicht immer B. Mut zahlt sich nicht immer aus. Das Richtige zu tun wird nicht immer belohnt. Man fällt auf die Schnauze, verliert den Mut und manchmal das Gesicht.
Und einmal mehr fordert die Angst, schwach zu wirken, ihren Tribut, denn obwohl es viel mehr Geschichten ohne Happy End gibt als solche mit, will man sich keine Blösse geben.
Warum diese Angst, wo wir doch ausnahmslos alle Fehler haben? Haben wir Schiss, unattraktiv zu sein? Kann es sein, dass wir uns nicht mehr trauen, weil wir schon zu oft fertig gemacht oder ausgelacht und unsere Schwächen gegen uns verwendet wurden?
Gerade das Internet ist idealer Nährboden für das Niedermachen derer, die zu ihren Schwächen stehen und genau das resultiert dann darin, dass man auf Facebook nur Erfolge postet.
Es kann enorm gut tun, Misserfolge zu teilen. Einem selbst und anderen, denn man ist mit solchen Geschichten nie allein. Das bedingt aber, dass wir erst einmal lernen, nicht auf einander rumzuhacken (nur weil jemand einen Lebensbereich nicht im Griff hat, der bei uns gerade kein Problem ist) und Schwäche als das anzunehmen, was sie ist: Teil von jedem Einzelnen von uns.