Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Ich bin ja nun schon eine Woche das Dressurpony der Schweizer Internetgemeinde. Im SRF-Kulturprojekt «Ich, die Mehrheit» überlasse ich drei Wochen lang kleine und grosse Entscheidungen meines Alltags der Allgemeinheit.
«DU IDIOTIN!», werden viele sagen. «Liebes Pony, warum tust du dir das an?», fragte man sogar hier bei watson in der Berichterstattung.
Zurecht.
Und was habe ich mir im Vorfeld Gedanken gemacht! Heitere Fahne! «Alles Böse wird man mit mir machen! Immer die schlimmste Variante wählen! Blutt die Bahnhofstrasse runter jagen werden sie mich, wenn sie mal selber entscheiden können, diese fiesen Bastarde ...»
Angelehnt hat sich diese Annahme an dem, was man so aus solchen Experimenten kennt. In Spinnenschleimgrütze badende Eintagsfliegen-Promis und sich Taranteln aus dem Ausschnitt fischende Pornostars/Models/It-Girls sind nur der Anfang des Gräuels, das sich im deutschen Privatfernsehen jeweils abspielt. Alles von den Zuschauern bestimmt.
Selbstverständlich will unser Projekt nicht das «Dschungelcamp» sein (Känguruhoden sind auch wirklich nicht meine Leibspeise) – aber logischerweise soll ja auch hier was auf dem Spiel stehen und wenigstens eine der Varianten unangenehmer sein als die andere.
Und auch ich selbst hätte wohl dazu tendiert, jemanden mal bitz aus seiner Komfortzone zu jagen, wenn er/sie mir das schon so freundlich und öffentlich zur Verfügung stellt. GUMP IN SEE, GUMP IN SEE, GUMP IN SEE!
Ich war auf das Schlimmste eingestellt. Und was passierte?
Die Leute waren lieb und vernünftig. Einmal schickten sie mich zwar in den Regen, wenn ich lieber eine Kolumne geschrieben hätte zuhause und meine Wäsche durfte ich auch nicht mit Weichspüler waschen – aber wenn ich nach 13 Stunden auf den Beinen sagte: «Ich bin erschöpft, soll ich nach Hause laufen oder darf ich das Tram nehmen?», dann liess man mich das Tram nehmen. Ich durfte, als ich verfroren und verschifft nach Hause kam, ein Vollbad nehmen. Ich zog mir nach einem langen Tag einen Spielfilm rein statt einer anstrengenden Doku. Alles entschieden von der Mehrheit. Die Leute schienen tatsächlich die Option zu wählen, welche sie für richtig hielten und nicht diejenige, die am lustigsten war.
In «Men in Black» sagt Tommy Lee Jones: «A person is smart, people are dumb». Und so erwartet man von den Menschen schnell mal, dass sie sich in einen Asi-Mob verwandeln, sobald man ihnen als Gruppe irgendwelche Macht gibt.
In meinem Fall zeigt sich – bisher – das Gegenteil. Und so frage ich an dieser Stelle nicht verzweifelt «Where is the Love?», sondern sage mit Überzeugung «Here is the Love!».