Na? Mal ganz ehrlich: Wie vielen von Euch hat's beim Lesen des Titels ein bisschen abgelöscht?
Vor Kurzem stand Emma Watson mit etwas zittriger Stimme vor der UN-Generalversammlung und hielt eine Rede zur Gleichstellung von Mann und Frau. Hat sie grossartig gemacht. Und sie hat dabei etwas angesprochen, was auch mich immer wieder verblüfft: Die negative Wahrnehmung des Wortes «Feminismus».
Redet man heute von einer Feministin, haben viele das Bild einer in kompostierbare Kleider gehüllten Dame mit unrasierten Achseln und einer asymmetrischen Frisur, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, Männer jeglicher Rechte und jeglicher Männlichkeit zu berauben und sich für die vergangenen Jahre der Unterdrückung in hundertfacher Potenzierung zu rächen.
Gemäss Wikipedia bedeutet der Begriff jedoch schlicht und einfach «... akademische als auch eine politische Bewegung, die für Gleichberechtigung, Menschenwürde, die Selbstbestimmung von Frauen sowie das Ende aller Formen von Sexismus eintritt».
Grundsätzlich eine gute, löbliche Sache, die sich lediglich aufs Fortkommen der Frau und in keinster Weise auf die Sabotage des Mannes bezieht.
Und hier sehen wir gleich ein weiteres Beispiel von inhaltsverzerrten Begriffen. Sexismus nämlich. Viele meinen heutzutage, Sexismus bezeichne lediglich auf Sexuelles bezogene, degradierende Handlungen von Männern gegen Frauen. Ähnlich wie bei der Feministin tauchen hier Stereotypen von Männern auf. Solche, die Frauen in unangebrachten Situationen mit anzüglichen Sprüchen drangsalieren und das auch noch lässig finden, bis hin zu solchen, die Frauen für minderwertige Geschöpfe halten und das lautstark zum Ausdruck bringen.
Tatsächlich handelt es sich um «Geschlechterstereotype, Affekte und Verhaltensweisen, die einen ungleichen sozialen Status von Frauen und Männern zur Folge haben oder darauf hinwirken». Hat primär nichts mit Sex zu tun und bezieht sich per Definition aufs eine Geschlecht nicht mehr als aufs andere.
Sexismus betrifft Frauen und Männer, aber auch Transgender, transsexuelle und intersexuelle Menschen.
Der Mensch wird also eigentlich durch die Stereotypen, welche er von einem «Sexisten» hat, bereits selbst zu einem.
Und ich frage mich: Warum passiert diese negative Bedeutungswandlung mit diesen Wörtern?
Bei weitem nicht jede Feministin ist eine frustrierte Männerhasserin. Im Gegenteil: Viele Frauen leben ihren eigenen Feminismus, indem sie genau das machen, was sie wollen, ihre Möglichkeiten nutzen und sich dafür einsetzen, dass Gleichberechtigung im Alltag umgesetzt wird. Dabei sehen sie auch, dass neben den altbekannten Frauenthemen (Lohnungleichheit, Rückstände in der Altersvorsorge bei Nicht-Arbeiten während der Kindererziehung) auch Männer zum Teil benachteiligt sind (Wehrpflicht, Sorgerechtsfälle, etc.).
Und bei weitem nicht jeder Sexist ist ein Mann. Es gibt viele sexistische Männer, ja (und das will ich auf keinen Fall schön reden), aber gerade das Bild des übermächtigen, unterdrückenden Mannes, das manche Frauen heute noch haben, ist zutiefst sexistisch und trifft längstens nicht auf den Grossteil zu.
Worte sind mächtige Instrumente und die Art, wie wir sie brauchen, verändert sie.
«Gutmensch» zum Beispiel, das vom «guten Menschen» abstammt, ist heute eine Art, jemanden als naiv oder übermoralisierend zu bezeichnen.
Ein weiteres Exempel ist das aus der Psychologie übernommene Wort «schizophren», das im Alltag als «zwiegespalten, zweiseitig» gebraucht wird, was schlicht falsch ist. Schizophrenie als Krankheitsbild ist eine hochkomplexe, schwere Störung des Denkens, des Wahrnehmens und des Gefühlslebens. Was der Volksmund sagen will, bezieht sich eher auf eine gespaltene Persönlichkeit – aber auch da wird der Alltag dem Leid des Patienten nicht gerecht und grundsätzlich sollten solche Worte nicht leichtfertig übernommen werden.
Ich persönlich glaube, dass Fehlkonzepte über Bevölkerungsgruppen im Alltag – ja, bei der Sprache – beginnen. Und ich schliesse mich da selber keineswegs aus. Auch ich habe mich schon dabei ertappt, wie ich einen Kollegen «Du Meitli» genannt habe. Im Nachhinein total doof und unnötig. Spannend übrigens, wie «Du Mädchen» zu einer fixen Beleidigung wurde, «Du Junge» aber nicht.
Ich glaube, ein bisschen mehr Obacht auf die eigene Wortwahl macht im Moment und für die gesamte Welt wohl keinen grossen Unterschied. Wenn's jedoch jeder für sich tut, kann das tatsächlich etwas bewirken.
Und nein, ich rede nicht davon, dass wir ab sofort nach der «Salzstreuerin» fragen sollen ...