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Du willst nur das Beste? Voilà:
Kürzlich habe ich eine Ratgeber-Kolumne in einem Magazin gelesen, das im Zug rumlag (ich schwör!). Darin gab die Autorin Tipps zum Auftreten in Flirt- und Dating-Szenarien.
Gerade hinstellen solle man sich, das strahle Selbstsicherheit aus. Aha. Okay, gerade stehen kann ich sogar freihändig. Und lächeln, immer lächeln. Also gut, lächeln ist sicher nie verkehrt, wenn die Eltern schon ein halbes Vermögen in den Headgear investiert haben. Und dann, so die Psychologin weiter, solle man üben, üben, üben. Okay.
Wait, what?
Dating üben? Ja, man solle sich auch auf Dates mit Menschen einlassen, die einen vielleicht nicht ganz so interessieren, einfach, damit man den «Motor am laufen halte». Hehehe. Motor. Fehlt nur noch der Zwinkersmiley. Nebst dieser mässig gelungenen Analogie, hat der Tipp noch weitere Mängel.
Einerseits sollte man ganz grundlegend aus Respekt keine Menschen daten, die man eigentlich gar nicht mag und die man nur als Versuchsmeersoili für die eigenen Kennenlernskills missbraucht. Das ist menschlich so richtig uncool, gerade wenn das Gegenüber ernsthaft interessiert ist. Übungsdaten als ernsthafter Tipp einer Beziehungsratgeberin – und dann wundert man sich, warum sich so viele beklagen, der heutigen Gesellschaft fehle die Tiefe.
Zweitens: Die Autorin vergleicht hier Dating mit anderen Fähigkeiten wie Klavier spielen oder Gummitwist. Während ich denke, dass das beim belanglosen Flirten generell Sinn machen und sich bei häufigerer Anwendung da tatsächlich eine Art Übung einstellen kann, ist beim ernsthaften Dating, wo's um Liebe geht, ein Detail jedoch entscheidend: Es darf nicht einfach irgendwer sein. Wir können so lange mit Menschen üben, die uns nichts bedeuten, wie wir wollen: Wenn wir jemanden mögen, gelten andere Regeln.
Wir können nämlich fast alle reden wie auch laufen, aber auf jemanden zuzugehen, den wir richtig gut finden, und ihm oder ihr zu sagen, dass wir ihn/sie gern haben, ist eine enorm schwierige Aufgabe. Man kann noch so erfolg- und geistreich, witzig und eloquent sein – sobald’s wirklich ums Herz geht, werden wir zu unsicheren Zappelis. Da stottert man, wird rot, macht schlechte Witze, schwitzt und ja, manchmal grunzt man auch beim Lachen und kann nachher ewig nicht mehr in den Spiegel schauen vor lauter Scham. Hani ghört.
Der Grund ist einfach: Wir selber stehen auf dem Spiel. Ablehnung in der Liebe vermag auch den allerstärksten Selbstwert in seinen Grundfesten zu erschüttern. Wo es uns ärgert oder nervt, wenn ein Freund oder ein Geschäftspartner zu spät kommt oder uns gar kurzfristig versetzt – tut dies der Mensch unserer Begierde, sind wir gekränkt und verletzt. Wenn unsere Geschwister oder Eltern mal nicht zurückrufen, dann fällt uns das eventuell nicht einmal auf – tut das der/die Angebetete, sind wir verunsichert oder gar beleidigt.
Liebe, gerade junge Liebe, macht uns verletzlich. Wir wissen noch nicht, wie sehr unser Gegenüber uns mag und was es für ihn/sie braucht, die Notbremse zu ziehen und abzuspringen. Deshalb versetzt uns ein nicht beantworteter Anruf oder eine kurzfristige Absage vor einem wichtigen Date bereits ins Nachdenken und lässt uns hinterfragen, was an uns nicht stimmen könnte.
Dazu kommt, dass kaum eine/r von uns ohne Rucksack unterwegs ist. Darin befinden sich die Verletzungen aus vergangenen Beziehungen und meist sind wir uns gar nicht bewusst, wie sehr diese uns geprägt haben. Da gehen wir schnell mal wegen Dingen in die Defensive (oder in die Opposition), die für das neue Gegenüber völlige Lappalien sind.
Kurz: Unser Herz liegt auf dem Silbertablett und wir können noch nicht einschätzen, ob das Gegenüber mit Samthandschuhen oder mit dem Steakmesser auftaucht. Liebe ist Risiko.
Kann man dagegen etwas tun?
Wie oben gesagt: Üben mit Menschen, die unser Herz nicht berühren, bringt nichts. Zumindest nicht, was das «Eingemachte» angeht. Und das soll es auch nicht. Ich bin der Meinung, dass Liebe immer Risiko sein muss, denn mit hohem Einsatz kann man grossen Gewinn erlangen ...
... oder damit aufs Maul fliegen. Mit 17, mit 25, mit 34 und auch noch mit 86 Jahren. Aber wie Pink in einem ihrer Songs schreibt: «I’d rather live with cuts of love than live witout any scars», «Ich würde lieber mit Verletzungen der Liebe leben als komplett narbenlos».
Wenn ich jedoch einen bescheidenen Tipp geben dürfte, wie man am besten an eine neue Liebe heran geht, dann wäre es folgender: Pflege die Beziehung mit dir selbst. Wisse, wer du bist, was du willst und was nicht und gehe nicht um der reinen Zuwendung Willen Kompromisse ein. Sei dir der Verletzungen bewusst, die du erfahren hast und verstehe ihre Wurzeln als Teil der Vergangenheit, die dich zu dem Menschen gemacht hat, der du bist (und sei dir bewusst, dass auch dein Gegenüber eine Vergangenheit hat). Ich sage dies nicht mit Bezug auf «Man kann dich nur lieben, wenn du dich selber liebst» – das stimmt in meinen Augen nicht und jeder Mensch mit Helfersyndrom wird mir das bestätigen.
Nein, ich sage das, weil, wie oben gesagt, Liebe Risiko ist und man damit rechnen muss, dass man auf die Schnauze fliegt. Und das ist viel weniger tragisch, wenn man den Menschen mag, zu dem man zurückkehrt, sobald eine Beziehung zerbricht: sich selbst.
Und sonst wissen wir ja jetzt alle: Immer schön aufrecht stehen. Immer schön lächeln. Dann klappt's auch mit dem Nachbarn.